Unter goldenen Schwingen
dieses grauenhafte Gefühl, das in mir aufstieg. Es war dasselbe Gefühl, das mich monatelang gequält hatte.
Ein schwacher, süßlicher Geruch stieg mir in die Nase. Ich drückte langsam die Tür zum Wohnzimmer auf.
Der Geruch wurde stärker.
Auf dem Wohnzimmertisch stand ein weißer Karton. Daneben lag ein Kuvert.
Ich starrte stirnrunzelnd auf den Tisch. Und dann hörte ich ihr Flüstern.
Es kam aus allen Ecken. Ich wirbelte herum und sah sie. Ihre hageren Gesichter und die leeren, toten Augen, die auf mich gerichtet waren. Sie standen in den Ecken und entlang der Wände.
Ihr widerlicher Verwesungsgeruch drehte mir den Magen um. Ich würgte und wich panisch zurück Richtung Küche.
»Nathaniel!«
Aus dem Augenwinkel nahm ich ein Schimmern wahr. Erleichtert drehte ich mich um.
Doch es war nicht Nathaniel, der neben mir stand.
»So überrascht?« Lazarus‘ Stimme war ein grausames Flüstern.
Ich wich vor dem schwarzen Dämon zurück und stieß mit dem Rücken gegen den Türrahmen. »Verschwinde!«
Lazarus trat vor mich, so nah, dass ich mich noch fester gegen den Türrahmen drängte. »Dein Geliebter ist nicht hier.« Der schwarze Dämon betrachtete mich nachdenklich. Sein Blick folgte der Linie meiner Wangenknochen, bis hinunter zu meinem Hals. »Ich vermisse deine Gastfreundschaft. Erinnerst du dich?«
Plötzlich stand ich vor dem Wohnzimmertisch, neben mir die Torte im weißen Karton und die Karte mit dem neuen Wagenschlüssel. In meiner Hand hielt ich mein Telefon und Annes Nummer stand auf dem Display, bereit, gewählt zu werden.
Schreckliche Gefühle überschwemmten mich und ich sah mich hilfesuchend um. Um mich herum schlossen die Inferni ihren Kreis. Sie schlichen humpelnd auf mich zu. Eisige Kälte durchströmte mich, als ich zum ersten Mal die furchtbaren Dinge verstand, die sie mir zuflüsterten.
Nein, dachte ich verzweifelt. Es kostete mich viel Kraft, gegen die Inferni anzukämpfen. Ich habe Freunde …
Plötzlich tauchten Ramiel und Seraphela neben mir auf. Ich sah die verzweifelte Sorge und den Hoffnungsschimmer in ihren Augen, als sie ihre Hände auf meine Schultern legten.
Doch die Inferni drängten sie wieder zurück. Sie schlossen ihren Kreis um mich. Hinter ihnen sah ich die Schimmer der beiden Engel flackern und verschwinden. Unglück und düstere Gedanken stürzten mit plötzlicher Gewalt auf mich ein.
Ich griff nach dem VW-Schlüssel und rannte hinaus.
Hinter der Tür erstarrte ich. Ich stand nicht auf dem Gang vor meiner Wohnung, sondern neben der Straße zum Friedhof. Es war Dämmerung, und das Wrack lag vor mir in der Böschung.
Ein Wagen kam vor dem Wrack zu stehen. Laute Musik dröhnte aus den Boxen.
»Du erinnerst dich an die Jungs?« Lazarus lehnte plötzlich an meinem Wrack.
Drei Männer stiegen aus dem Wagen und kamen auf mich zu. Ein Dicker, ein Dünner, und einer mit einem Spinnennetz-Tattoo. Ich schrie vor Entsetzen, als ich sah, was aus ihren Oberkörpern hervorbrach.
Es waren Kreaturen, so widerlich wie Inferni, aber mit ausgefransten, matten Flügeln. Ausgehungert bis auf die Knochen, mit eingefallenen Wangen und hohlen, roten Augen, krochen sie aus den Brustkörben der Männer, und streckten gierig ihre hageren Arme nach mir aus. Sie flüsterten den Männern etwas zu, das ich nicht verstehen konnte. Ich wich stolpernd zurück, ohne meinen Blick von den grässlichen Wesen zu nehmen.
»Das ist Victoria«, sagte Lazarus mit einer Armbewegung, als würde er uns einander vorstellen. »Sie kann es kaum erwarten, euch kennenzulernen.«
Panisch drehte ich mich um und rannte los. Hinter mir hörte ich die Schritte der Männer. Sie verfolgten mich, sie holten mich ein, und sie rissen mich zurück. Die widerlichen Kreaturen, die aus ihren Körpern hingen, hissten ihnen Anweisungen zu, und feuerten sie an, mir wehzutun. Ich kämpfte verzweifelt, wobei mir die grässlichen Wesen noch mehr Angst machten als die Männer selbst.
Der dicke Kerl zerrte mich zurück zum Wagen, warf mich gegen die Motorhaube, und beugte sich über mich. Die Kreatur in seinem Brustkorb starrte mich gierig aus leeren, roten Augen an, während ich verzweifelt versuchte, sie abzuwehren. Der Mann holte aus, um mich zu schlagen, und ich schrie.
Plötzlich erstrahlte gleißend goldenes Licht neben mir, so hell, dass es mich blendete. Eine vertraute Stimme erklang, eiskalt und drohend. » Lass sie los .«
Der Mann, der mich schlagen wollte, ließ von mir ab. Das hässliche Wesen kreischte und
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