Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
Gesetz des Schweigens, der Omertá .
»Sie werden diese Aussage nicht gegen dich verwenden können«, fuhr Nelson fort, »weil sie unter massivem Druck gemacht wurde.«
»Jetzt ist es sowieso zu spät«, antwortete Sergio mit heiserer Stimme, »Cesare ist tot, daran ist nichts mehr zu ändern. Wir müssen die Sache anders angehen.«
Es strengte ihn unglaublich an, klar zu denken.
»Findet jemanden, der behauptet, er habe auf mich geschossen«, sagte er heiser, »denkt euch einen glaubhaften Grund aus. In der Öffentlichkeit muss bekannt werden, dass die Schüsse auf mich nichts mit Ortega zu tun haben. Nelson, du holst Silvio gegen Kaution aus dem Knast raus.«
Er machte erschöpft eine Pause. Die Schatten unter seinen Augen waren dunkler geworden, seine Kehle schmerzte vomSprechen. Sergio verfluchte die Medikamente, die sein Gehirn lähmten.
»Nelson«, murmelte er, »lass dir irgendetwas einfallen, womit man die Presse ablenken kann. Wir haben schon einmal über eine Möglichkeit gesprochen, du erinnerst dich.«
Der Anwalt nickte. Dr. Sutton trat ein, nachdem er geklopft hatte.
»Mr Vitali braucht jetzt wirklich Ruhe«, sagte er nachdrücklich, »bitte, meine Herren.«
»Nelson!«, flüsterte Sergio und der Anwalt beugte sich näher zu ihm hin. »Ruf bitte Alex an. Sag ihr ... sag ihr ...«
›Ich war bereit, dich zu lieben, Sergio. Wenn du ehrlich gewesen wärst, hätte ich jede Wahrheit akzeptiert, und wenn sie noch so schlimm gewesen wäre.‹
Er sah die Ablehnung in Nelsons Augen aufflackern. Nein, es war keine gute Idee, Alex anzurufen. Sie sollte ihn nicht so sehen, so schwach und hilflos, mit diesen Schläuchen in seinem Körper.
»Nein«, er schüttelte den Kopf, »ruf sie nicht an. Aber sorge dafür, dass sich Domenico um seine Mutter kümmert. Sie darf jetzt nicht allein sein.«
»Das werde ich tun.« Nelson drückte die Hand seines Freundes voller Mitgefühl. »Wir bekommen das wieder in den Griff. Mach dir keine Sorgen.«
***
In der City Hall liefen seit dem frühen Morgen die Telefonleitungen heiß. Obwohl Nick Kostidis in den vergangenen Nächten kein Auge zugetan hatte, spürte er keine Müdigkeit. Die Verhaftung und der Selbstmord von Cesare Vitali und das Attentat auf seinen Vater waren die Themen auf allen Fernsehkanälen, dafür hatte er gesorgt. Sergio Vitali war allerdings noch immer wie vom Erdboden verschluckt. Entweder war er tot oder so schwer verletzt, dass er sich nicht öffentlich zur Wehr setzen konnte, wie Nick es eigentlich erwartet hätte. Auf jeden Fall hatte er mit seinem nächtlichen Fernsehauftritt in der Bronx verhindern können, dass die Sache einfach unter denTeppich gekehrt wurde. Er hatte de Lancie dazu gezwungen, den Fall zu verfolgen. Es klopfte an der Tür.
»Mr Harding ist hier, Sir«, sagte Allie. Der Polizeichef wartete nicht, sondern drängte die Sekretärin einfach zur Seite und stürmte mit hochrotem Gesicht in das Büro des Bürgermeisters.
»Zum Teufel, Nick, was fällt Ihnen eigentlich ein?«, schrie er wütend. »Ich war zwei Tage nicht in der Stadt und dann muss ich so etwas hören!«
Er war so außer sich, dass Nick für einen Moment glaubte, er würde sich auf ihn stürzen und ihn verprügeln.
»Was meinen Sie, Jerome?« Er tat erstaunt.
»Sie sind nicht mehr der verdammte Staatsanwalt!«, brüllte Harding. »Wie kommen Sie dazu, sich in die Arbeit der Polizei einzumischen? Was fällt Ihnen ein, vor laufender Kamera zu behaupten, Vitali sei von der kolumbianischen Drogenmafia niedergeschossen worden?«
»Das habe ich nicht gesagt ...«
»Natürlich nicht!« Hardings Stimme überschlug sich fast vor Zorn. »Sie haben es nur angedeutet , aber das genügt schon! Der Gouverneur hat mich angerufen, der Innensenator, ja, sogar der stellvertretende Justizminister aus Washington will wissen, was hier vor sich geht! Ich stehe wie ein Vollidiot da und muss mich fragen lassen, warum der Bürgermeister meinen Job macht!«
Nick unterdrückte ein zufriedenes Grinsen.
»Beruhigen Sie sich, Jerome«, sagte er, »es ist doch nichts passiert, außer dass ich auf die Missstände in der Bronx hingewiesen habe. Sie stimmen ja wohl mit mir überein, dass diese Überfälle auf die Mietshäuser …«
»Ersparen Sie mir Ihre PR-Rede«, unterbrach Harding ihn grob, »mir können Sie nichts vormachen! Sie nutzen die Situation aus, um Ihren Kreuzzug gegen Vitali führen zu können, und dabei bedienen Sie sich Ihres öffentlichen Ansehens! Aber damit behindern
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