Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
keinem Wort die Tatsache, dass Cesare Vitali tot war! Aber es kam noch besser. De Lancie wurde übel und sein Magengeschwür verursachte ihm stechende Schmerzen.
»Ist es nicht großartig?«, ließ sich seine Assistentin vernehmen. »Es sieht fast so aus, als hätten wir endlich was gegen Vitali in der Hand!«
In der Staatsanwaltschaft von New York galt Sergio Vitali seit Jahrzehnten als der Feind schlechthin, im Keller stapelten sich Berge von Akten über ihn.
»Haben Sie nichts anderes zu tun, als hier herumzustehen?«, schnauzte de Lancie und seine Assistentin warf ihm einen erstaunten Blick zu. Sie hatte angenommen, ihr Chef sei zufrieden, aber das Gegenteil schien der Fall zu sein.
»Gehen Sie schon!« De Lancie presste eine Hand gegen seinen Magen. Als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, wankte er zu seinem Schreibtisch und ließ sich auf den Stuhl sacken. Diese verdammten Magenschmerzen wollten ihn schier zerreißen. Das Telefon summte. John de Lancie nahm mit einem Seufzer ab, nachdem er den Ton des Fernsehers abgestellt hatte.
»Das verstehen Sie unter Hilfe?«, ertönte Massimo Vitalis kalte Stimme an seinem Ohr. »Sie waren wirklich großartig. Ich kann nur sagen, mein Vater hat in Ihrem Fall eine schlechte Investition gemacht.«
»Hören Sie!«, rief de Lancie aufgeregt. »Es tut mir leid! Als ich ankam, war Kostidis schon da! Ich konnte nichts mehr tun, ich habe wirklich alles versucht, aber ...«
»Sie haben es verpatzt«, unterbrach Massimo Vitali ihn kühl, »ich hoffe nur, Sie wissen, was Sie jetzt zu tun haben. Es könnte unangenehme Folgen für Sie haben, wenn Sie den Schaden, den Sie angerichtet haben, nicht wenigstens begrenzen.«
»Aber ...«
Da war die Leitung tot. Dieser arrogante Scheißkerl hatte einfach aufgelegt! De Lancie brach der kalte Schweiß aus und er verbarg das Gesicht in beiden Händen. Er hatte die Drohung nur zu gut verstanden. Wenn herauskam, dass er Geld von Vitali angenommen hatte, dann war er auf immer und ewig erledigt. Ihm würde nichts anderes mehr übrig bleiben, als sich einen Revolver in den Mund zu stecken und abzudrücken. Welcher Teufel hatte ihn auch geritten, als er, der noch nie in seinem Leben mit dem Gesetz in Konflikt gekommen war, sich auf Sergio Vitali eingelassen hatte? Damit hatte er alles aufs Spiel gesetzt, was er in seinem Leben erreicht hatte! Er hob den Kopf und starrte in das Gesicht des Bürgermeisters auf dem Bildschirm. Wie sollte er bloß jetzt noch etwas tun? Kostidis hatte für die Schlagzeilen des Tages gesorgt und er konnte sich als oberster Staatsanwalt wohl kaum auf die Seite eines Mannes stellen, der seit Jahren wegen des Verdachts krimineller Machenschaften von seiner eigenen Behörde verfolgt wurde! Vor allen Dingen durfte de Lancie bei seinen Mitarbeitern kein Misstrauen aufkommen lassen. Er musste jetzt wohl oder übel die Rolle spielen, die man von ihm erwartete. Eine Rolle, in die ihn Nick Kostidis gedrängt hatte. Hatte der Bürgermeister gestern Nacht durchschaut, was er getan hatte? Ich frage mich manchmal, auf wessen Seite Sie eigentlich stehen ... Oh Gott! Wie hatte er sich ausgerechnet vor Kostidis eine solche Blöße geben können, wie er es gestern getan hatte! Nun saß er richtig in der Klemme. Er musste Vitali helfen, sonst war er erledigt. Aber es durfte nicht zu offensichtlich geschehen. Es musste einen Weg geben, sein Gesicht zu wahren und trotzdem Vitali einen Gefallen zu tun. Sein größtes Problem war nicht Vitali, sondern Nick Kostidis, der Bürgermeister von New York City.
***
Auch Alex hatte die ganze Nacht nicht geschlafen. Seit Sergios Fahrer sie nach Hause gebracht hatte, war sie ruhelos in ihrer Wohnung auf und ab gelaufen. Sie zitterte am ganzen Körper, erst drei Gläser mit purem Wodka hatten sie etwas beruhigen können. Es waren nicht einmal die Schüsse, die aus dem fahrendenAuto abgefeuert worden waren, sondern die glasklare Erkenntnis, dass sie in eine Situation geraten war, aus der sie sich nicht mehr befreien konnte. Kostidis hatte genauso Recht wie Oliver, als er behauptet hatte, Sergio sei ein Verbrecher. Sie hatte es nicht hören wollen, weil sie die Wahrheit lieber nicht erkennen wollte. Aber jetzt konnte sie nicht weiterhin Augen und Ohren verschließen und so tun, als wäre Sergio nur irgendein unseriöser Geschäftsmann, der hin und wieder etwas fragwürdige Geschäfte tätigte. Wenn sie zu Kostidis ging und ihm sagte, was er wissen wollte, würde Sergio das erfahren, und
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