Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
hinausführten, waren seit dem frühen Morgen hoffnungslos verstopft.
»Das war gute Arbeit«, sagte Sergio zufrieden, als van Mieren ihm vom Erfolg der Aktion berichtet hatte.
»Sie haben ihren Attentäter, und der hat nichts mit irgendwelchen Kolumbianern zu tun«, Nelson lächelte, »es wird keinen Bandenkrieg geben, und alle sind beruhigt.«
»Dein Name ist aus den Schlagzeilen«, bekräftigte Massimo. Er war erleichtert, dass der Vater so schnell das Krankenhaus verlassen hatte, und wieder in der Lage war, Entscheidungen zu treffen. Auf dem Weg von Long Island nach Mount Kisco flog der Helikopter über Queens hinweg und Sergio diktierte Nelson während des Fluges die Reihenfolge der Leute, mit denen er sprechen wollte. Er musste wissen, wer auf seiner Seite stand und was Kostidis als nächstes im Schilde führte. Sergio war sich ganz sicher, dass der Bürgermeister die Geschichte von dem geständigen Attentäter nicht glauben würde. Mehr als je zuvor hatte er das Gefühl, dass Kostidis eine ernsthafte Bedrohung darstellte. Es war am späten Nachmittag, als Sergio sein Haus in der Nähe von Mount Kisco im Westchester County betrat. Sein zweitältester Sohn Domenico kam ihm mit ernstem Gesichtsausdruck entgegen.
»Papa!«, rief er. »Gott sei Dank!«
Sergio umarmte ihn unbeholfen mit dem rechten Arm.
»Wie geht es deiner Mutter?«
»Sie weigert sich, Beruhigungsmittel zu nehmen. Aber sie ist einigermaßen gefasst. Ich kann immer noch nicht glauben, dass Mimo tot ist.«
»Ja, es ist schrecklich.«
Sergio durchquerte die Halle, gefolgt von seinen Söhnen und Nelson van Mieren. Er betrat das große Wohnzimmer. Constanzia saß auf der wuchtigen Ledercouch, neben ihr die Schwiegertöchter Victoria und Isabelle sowie Constanzias Schwester Rosa und ihre Cousine Maria. Die fünf Frauen hatten verweinte Gesichter und trugen schwarze Kleidung. Sergios Blick fiel auf das große gerahmte Foto von Cesare, das jemand mit einem Trauerflor versehen hatte, und für einen Augenblick krampfte sich sein Magen schmerzhaft zusammen.
»Guten Tag«, sagte Sergio.
»Mr Vitali«, der Arzt, ein junger Mann aus Mount Kisco, kam eilig auf ihn zu, »mein Beileid. Es ist wirklich tragisch.«
»Ja, das ist es in der Tat. Danke«, Sergio nickte. In diesem Moment erblickte Constanzia ihren Ehemann und sprang mit einer Behändigkeit auf, die man ihr nicht zugetraut hätte. Ihr vom Weinen verquollenes Gesicht war zu einer wütenden Maske verzerrt.
» Assassino! «, schrie sie mit schriller Stimme und stürzte sich auf Sergio, bevor sie jemand daran hindern konnte. » L’hai ammazzato! Bestia! Assassino! Du hast ihn umbringen lassen, deinen eigenen Sohn!«
Die anderen Frauen waren entsetzt aufgesprungen und Massimo und Domenico ergriffen ihre tobende Mutter. Sie waren sichtlich erschüttert über die Vorwürfe, die sie dem Vater entgegenschleuderte. Der Arzt starrte die Frau entsetzt an. Er verstand nicht, was sie sagte, denn sie sprach italienisch, aber der Zorn und der Hass in ihrer Stimme bedurften keiner Übersetzung.
»Er hat dich gestört!«, schrie Constanzia. »Du hast ihn immer verachtet, weil er nicht so kalt war wie du! Du hast ihn umbringen lassen, du eiskaltes Schwein! So wie du meinen Vater hast ins Gefängnis gehen lassen, obwohl du wusstest, dass es sein Tod sein würde! Du hast schon so viele Menschen umbringen lassen,nur weil sie dir im Weg waren, und nun mein Baby, meinen Liebling, oh, dio mio!«
Sie taumelte und brach in lautes Wehgeschrei aus. Ihre Stimme hatte kaum noch etwas Menschliches.
»Du bist nicht bei Verstand, Constanzia«, sagte Sergio und streckte die Hand nach ihr aus.
»Fass mich nicht an, du Mörder!«, kreischte sie.
»Niemand hat Cesare etwas getan«, sagte er mit ruhiger Stimme. »Er ist durchgedreht und hat sich mit seinem eigenen Gürtel erhängt. Wahrscheinlich war er wieder total vollgekokst.«
Er bemerkte die fassungslosen Blicke des Arztes und seiner Schwiegertöchter, er erkannte die Zweifel in den Augen Nelsons und er wusste, dass sogar seine beiden Söhne einen Augenblick der Mutter glaubten.
»Du hast Cesare nie gemocht«, sagte Constanzia nun leiser. »Für dich gab es nur immer deine verfluchten Geschäfte! Ich hasse dich!«
»Geben Sie ihr eine Beruhigungsspritze«, wandte sich Sergio an den Arzt, »der Schmerz über den Tod unseres Sohnes ist zuviel für ihre Nerven.«
»Ja!« Constanzia lachte hasserfüllt. »Erzähl ihnen das nur! Aber ich kenne dich, Sergio Vitali! Ich
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