Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
bewusst geworden wie in diesem Augenblick.
»Vielleicht haben Sie Recht«, Nick seufzte, »ich habe ja auch mit dem Gedanken gespielt, einfach alles hinzuschmeißen. Niemand würde es mir verübeln. Nach mir die Sintflut.«
»Halten Sie mich für feige, wenn ich das täte?«, fragte Alex.
»Oh nein, das wäre nicht feige. Nach allem, was geschehen ist, wäre es nur vernünftig.«
Sie sahen sich im trüben Lichtschein der Laterne an der Straßenecke stumm an, dann senkte Alex den Blick.
»Ich muss los«, sagte sie, »danke für den schönen Abend.«
»Ich habe zu danken«, Nick streckte ihr die Hand hin und sie ergriff sie. Sein Händedruck war warm und fest. Alex erinnerte sich daran, wie sie ihn im Arm gehalten hatte, als er geweint hatte, und sie wünschte sich in dieser Sekunde sehnlich, noch eine Weile bei ihm bleiben zu können. Es war ihr gleichgültig, wer er war, aber es wäre sehr viel einfacher, wenn er nicht ausgerechnet der Bürgermeister von New York City gewesen wäre.
»Rufen Sie mich noch einmal an?«, fragte Nick leise. »Es würde mich sehr beruhigen, wenn ich wüsste, dass Sie gut nach Hause gekommen sind.«
»Ja, das mache ich.«
Sie ließ seine Hand los, aber er machte keine Anstalten zu gehen. Da schlang sie ihm impulsiv die Arme um den Hals und schmiegte ihr Gesicht an seine raue Wange. Er legte seine Arme um sie und für einen kurzen Augenblick verharrten sie in einer tröstlichen Umarmung, bevor ein paar Gäste aus dem Lokal kamen, und sie sich losließen.
»Passen Sie auf sich auf, Alex«, flüsterte Nick mit belegter Stimme. Sie nickte stumm, dann drehte sie sich um und verschwand mit schnellen Schritten und gesenktem Kopf.
Mittwoch, 1. Dezember 2000
Das Gesicht von Vincent Levy war finster, als er das Telefongespräch beendete. Gespannt warteten die Vorstandsmitglieder von Levy Manhattan Investment darauf, ob der Präsident ihnen den Inhalt des Telefongesprächs, das die außerordentliche Vorstandssitzung an diesem verregneten Dezembernachmittag unterbrochen hatte, mitteilen würde. Levy blickte in die Runde, dann stand er auf und trat an die große Fensterfront. Die Regenschleier schienen die Dimensionen zu verändern. In weiter Ferne konnte man die Verrazano-Narrow-Bridge erahnen; auch die Freiheitsstatue schien weiter entfernt als sonst. In dem großen Konferenzraum herrschte völlige Stille, als sich Vincent Levy nun umdrehte.
»Meine Herren«, er räusperte sich, »ich habe soeben erfahren, dass die Übernahme von Database Inc. durch Whithers Computers nicht zustande kommen wird. Database hat sich mit der Softland Corporation auf eine freundliche Übernahme geeinigt. First Boston hat das Rennen gemacht. Wir sind raus.«
Einen Moment starrten die Anwesenden ihren Präsidenten sprachlos an. Das Geschäft, das einen der größten Übernahmedeals auf dem Computermarkt bedeutet hätte und ein Volumen von fast zwei Milliarden Dollar hatte, schien längst unter Dach und Fach gewesen zu sein. Seit Wochen war die M & A-Abteilung mit kaum etwas anderem beschäftigt. Es war St. John, der seine Vorstandskollegen aus ihrem benommenen Schweigen riss.
»Diese verdammte Ziege hat es verpatzt!«, schrie er und schlug mit der Faust so heftig auf den Tisch, dass die Gläser und Flaschen klirrten. »Ich könnte ihr den Hals umdrehen!«
»Wie meinen Sie das, Zack?«, fragte Hugh Weinberg erstaunt.
»So, wie ich es sage!« Zack war rot angelaufen, der Schweiß stand ihm auf der Stirn. »Dieser Deal war todsicher, aber sie war zu dämlich, einen Abschluss zu machen!«
»Zack, ich bitte Sie!«, mischte sich nun Levy ein. »Sie können doch Alex nicht die Schuld daran geben, dass die Aktionäre von Database das Angebot der Softland Corporation dem von Whithers vorgezogen haben!«
»Zum Teufel!« Zack sprang auf und lachte höhnisch. »Ihr seid alle verblendet, weil sie ein paar gute Geschäfte an Land gezogen hat! Aber sie hat soeben den wichtigsten Deal, den es in diesem Jahr auf dem Computermarkt gibt, vermasselt!«
»Das ist nicht wahr!«, widersprach Michael Friedman. »Sie hat das Beste herausgeholt. Das Angebot, das sie ausgearbeitet hat, war gut. Die Aktien von Database sollten für 40 Dollar übernommen werden und ...«
»Es ist mir scheißegal, wie gut das beschissene Angebot war!«, unterbrach Zack ihn grob. »Es war nicht gut genug. Wofür bezahlen wir ihr so viel Geld, wenn sie den Markt nicht richtig im Auge behält?«
»Sie sind ziemlich ungerecht, Zack«, sagte John Kwai,
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