Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
kompromittieren.«
»Hm«, Frank machte ein besorgtes Gesicht. In dem Moment brach bei den Zellen ein Tumult aus. Captain Tremell und zwei Beamte kamen im Laufschritt mit wachsbleichen Gesichtern aus dem Zellentrakt.
»So eine verdammte Scheiße!«, der sonst so besonnene Kommandant des 41. Reviers war außer sich. »Vitali hat sich in seiner Zelle erhängt!«
»Wie bitte?«, fragten Nick und Frank wie aus einem Mund.
»Ja, verdammt noch mal! Man hat vergessen, ihm seinen Gürtel abzunehmen! Er hat sich am Heizungsrohr aufgehängt!«
De Lancie kam aus dem Verhörraum gestürzt, die Augen quollen ihm fast aus dem blutroten Gesicht.
»Was ist denn das für ein Bockmist!«, brüllte er. »Sind denn hier alle bescheuert?«
Der Polizeiarzt rannte vorbei, gefolgt von van Mieren und weiteren Beamten. De Lancies Blick fiel auf Nick.
»Das passt Ihnen ja genau in den Kram!«, sagte er gehässig.
»Nein, überhaupt nicht«, erwiderte Nick, »lebendig hätte er mehr genützt. Gute Nacht, John!«
»Fahr zur Hölle!«, knurrte de Lancie dem Bürgermeister nach. Trotz seiner Angst war er insgeheim erleichtert, dass Cesare Vitali tot war. Damit musste er sich nur noch um eine Leiche kümmern, aber nicht mehr darum, einen überführten Verbrecher vor dem verdienten Knast zu bewahren.
***
»Da stinkt etwas gewaltig«, sagte Nick, als sie die Treppe hochgingen.
»De Lancie wird jetzt versuchen, die ganze Sache zu vertuschen«, überlegte Frank. »Wenn Ihre Vermutung zutrifft, dass er Vitalis Mann ist, wird er auf keinen Fall zulassen, dass die Wahrheit herauskommt.«
»Mist«, Nick blieb nachdenklich stehen, »und wir haben keine Möglichkeit, das zu verhindern.«
»Doch«, erwiderte Frank, »sie können es nicht mehr vertuschen, wenn morgen in der Zeitung steht, weshalb man ihn verhaftet und was er vor seinem Selbstmord gestanden hat.«
»Die Zeitungen für morgen sind längst gedruckt.«
»Dann muss es eben im Fernsehen laufen. Die Jungs von WNBC und WNCN warten doch draußen.«
Nick überlegte einen Moment, dann grinste er.
»Okay. So machen wir’s. Kommen Sie, Frank.«
***
John de Lancie hatte in der letzten Nacht kein Auge mehr zugemacht und als er am Sonntagmorgen um neun das Gebäude der Bundesstaatsanwaltschaft an der St. Andrews Plaza hinter dem Bundesgericht am Foley Square betrat, fühlte er sich wie gerädert. Kurz nachdem der Polizeiarzt den Tod Cesare Vitalis festgestellt hatte und den Totenschein ausgestellt hatte, hatte de Lancie das 41. Polizeirevier durch den Hinterausgang verlassen. Er hatte keine Lust, den Aasgeiern von der Presse gegenüberzutreten und war heilfroh, dass er Kostidis nicht mehr begegnet war. Es war aber nicht die Sache mit Cesare Vitali, die de Lancie Magenschmerzen bereitete, sondern die Befürchtung, dass der Bürgermeister ihm auf die Schliche gekommen sein könnte. Vor seinem Büro wurde er von einer aufgeregten Menschenmenge erwartet, die ihn mit Fragen bestürmte, aber er drängte sich ungehalten durch.
»Was ist denn hier los?«, fragte er seine Assistentin gereizt. »Warum sind die ganzen Leute hier?«
»Aber Sie waren doch gestern Nacht selbst da«, erwiderte die Frau überrascht. »Haben Sie heute Morgen noch kein Fernsehen geschaut? Die Sache, die gestern in der Bronx passiert ist, ist Hauptthema auf allen Kanälen!«
Unwillkürlich überfiel de Lancie ein ungutes Gefühl, fast eine düstere Vorahnung. Er öffnete die Tür zu seinem großen, mahagonigetäfelten Büro, an dessen Wänden handsignierte Bilder von Ronald Reagan, George Bush, J. Edgar Hoover und anderen wichtigen Persönlichkeiten hingen.
»Ich habe hier eine Liste von Leuten, die um Rückruf gebeten haben«, sagte seine Assistentin, die ihm gefolgt war. »Soll ich den Fernseher anstellen?«
»Ja«, sagte de Lancie kurz angebunden und starrte auf den Fernsehapparat, der in einem der mit juristischer Fachliteratur gefüllten Wandregale stand. Auf dem Bildschirm erschien fast augenblicklich Nick Kostidis auf den Stufen des 41. Polizeireviers und de Lancie begriff in derselben Sekunde, dass er in der vergangenen Nacht einen schwerwiegenden Fehler begangen hatte, als er durch den Hinterausgang verschwunden war. Er hatte Kostidis kampflos die Bühne überlassen, und das hatte der medienbesessene Bürgermeister natürlich ausgenutzt.
»... als Bürgermeister dieser Stadt bin ich für die Sicherheit der Bürger verantwortlich«, sagte Kostidis gerade und de Lancie verspürte eine mörderische Wut in sich
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