Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
aufsteigen, die jedoch rasch einem Gefühl der Hilflosigkeit wich. »Ich kann und werde es nicht zulassen, dass rücksichtslose Menschen harmlose und gesetzestreue Bürger auf diese Art und Weise terrorisieren. Diese sechs jungen Männer haben versucht, ein Mietshaus in Brand zu stecken. Ein Haus, in dem viele Familien leben. Einer von ihnen wurde von der Polizei erschossen, nachdem er einen Polizeibeamten, der nur seine Pflicht erfüllte, lebensgefährlich verletzt hat. Die anderen fünf wurden festgenommen.«
»Stimmt es, dass der Sohn von Sergio Vitali dabei ist?«, fragte eine junge Reporterin.
»Ja, das stimmt«, erwiderte Kostidis. Er wirkte, wie er dastand – unrasiert und mit einer Lederjacke im Nieselregen – genau wie ein Mann, der sich für seine Bürger aufopfert. Widerwillig musste de Lancie anerkennen, dass Kostidis alles andere als ein farbloser Politiker war, wie so viele seiner Vorgänger. Er besaß ein unnachahmliches Talent für PR und ein geniales Gespür für dramatische Inszenierungen, und dafür wurde er von den Leuten geliebt. Kostidis gelang es immer wieder, noch aus den unbedeutendsten Vorfällen Medienereignisse zu machen. Im Gegensatz zu vielen Politikern, die vor der Kamera und den Mikrofonen künstlich und einstudiert wirkten, waren Kostidis’ Auftritte vollkommen glaubhaft. Seine Gegner bezeichneten ihn zynisch als einen begnadeten Schauspieler, der eher nach Hollywood als nach New York gepasst hätte, aber auch sie mussten zugeben, dass er der populärste Bürgermeister seit Fiorello LaGuardia war.
»Sind Sie deshalb heute Nacht hier, Mr Kostidis?«, fragte ein Reporter. Kostidis scheute sich wie üblich nicht davor, die Wahrheit zu sagen.
›Oder das, was er für die Wahrheit hält‹, dachte de Lancie bitter.
»Ja, das ist ein Grund. Wir haben seit langem den Verdacht, dass Mr Vitali mit den zahlreichen Überfällen auf Mietshäuser in der Bronx zu tun hat und die Beteiligung seines Sohnes Cesarescheint hierfür der endgültige Beweis zu sein. Er hat gestanden, dass er und seine Komplizen im Auftrag gehandelt haben. Immer wieder versuchen Immobilienspekulanten mit brutalen Methoden, Bewohner aus ihren Häusern zu vertreiben, um diese dann abreißen zu können. Das ist blanker Terror, und den kann ich in meiner Stadt nicht dulden!«
Kostidis’ Augen blitzten zornig.
»Es ist bekannt, dass Sie und Mr Vitali keine Freunde sind ...«,
begann ein Reporter.
»Das hat mit persönlichen Gefühlen überhaupt nichts zu tun!«, unterbrach der Bürgermeister den Mann. » Ich habe schon während meiner Zeit als Bundesstaatsanwalt vehement gegen jede Art von Verbrechen gekämpft, und das tue ich noch heute! Als Bürgermeister habe ich den Bürgern und Gästen dieser Stadt gegenüber eine große Verantwortung. Ich kann nicht dulden, dass Menschen terrorisiert und aus ihren Wohnungen vertrieben werden. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob nun der Sohn von Mr Vitali oder jemand anderes daran beteiligt ist.«
»Bundesstaatsanwalt de Lancie ist auch heute Abend hier. Es scheint, als ob dieser Fall ein Politikum ist.«
»Zweifellos hat diese Verhaftung durch die Beteiligung des Sohnes eines so bekannten Bürgers wie Sergio Vitali einen höheren politischen Stellenwert bekommen«, sagte Kostidis glatt. »Immerhin könnte dies ein Beweis dafür sein, dass Vitali womöglich doch seine Finger in diesen dunklen Geschäften hat, wenngleich er es in der Öffentlichkeit stets bestreitet und viel Geld in sein makelloses Image investiert.«
Er war unglaublich redegewandt, ein Meister des Konjunktivs, und seine lebhafte Mimik und Gestik sagte mehr als das, was er in Worten ausdrückte. Er hütete sich geschickt davor, einen direkten Verdacht zu formulieren, aber die Art und Weise wie er etwas sagte, ließ den Zuschauer verstehen, was er wirklich meinte.
» Übrigens denke ich, dass Mr de Lancie mit mir einer Meinung ist, dass dieser Fall nicht anders behandelt werden darf als der Fall einen x-beliebigen Täters. Ein prominenter Name schützt nicht vor der Härte des Gesetzes .«
De Lancie wurde abwechselnd heiß und kalt. Dieser gottverdammte Mistkerl! Wenn ihn nur der Blitzschlag treffen würde! Geschickter hätte er es kaum anfangen können. In der Öffentlichkeit war Kostidis erneut der Held, der unermüdliche Kämpfer gegen das Verbrechen. Es war ihm gelungen, Vitali als rücksichtslosen Immobilienspekulanten hinzustellen, ohne ihn jedoch wirklich anzugreifen. Und er erwähnte mit
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