Unter Korsaren verschollen
Oberrichter, besprochen und nachträglich ihr Einverständnis zu seinem harten Urteil geholt.
»Es ist gut, meine Politik zu Frankreich ist nicht ge-fährdet worden. Man muß dort einsehen, daß ich sein bester Freund bin, der die eigenen Leute nicht schützt, wenn sie sich an der französischen Flagge vergangen haben.«
»Man wird deine Gerechtigkeit zu schätzen wissen, o Dey!« versichert Benelli. Das ist die Rede eines Schmeichlers, eines Mannes, der keine eigenen Gedanken hat, sie wenigstens nicht ausspricht. Warum auch?
Omar Pascha, der launische, unberechenbare Herrscher, würde einen neuen Wutanfall bekommen, sagte man ihm, daß er ein Kind, ein Stümper ist. Glauben würde er es nicht; denn er hat ja keinen einleuchtenden Grund dafür. Die europäischen Nationen lassen sich alles gefallen und scheuen sich nicht, Belästigungen mit Geschenken zu belohnen. Benelli ist ein viel zu klarer Kopf, um nicht die Schwächen Omar Paschas und der europäischen Herrscher zu kennen.
»Ich hoffe es! Aber ich hörte, daß mein Befehl nicht ausgeführt sei. Was hast du darauf zu sagen?« fragt der Dey hinterhältig.
»Er ist ausgeführt!«
Der Türke spielt mit dem goldenen, edelsteinbesetzten Griff seines Handschars, des Dolches. An seinen Fingern blitzen kostbare Ringe. »An allen?«
»Ja.«
»Du lügst, Mustapha! Was ist mit dem Schiffsjungen?
Wer hat ihn befreit?«
»Ich!« Ein Wort, das wie das Blitzen einer Klinge ist.
Benelli hat keine Furcht. Omar Pascha ist zurückgeprallt.
Der das Wort sprach, ist, wenn man es dazu kommen läßt, ein unerschrockener, sicher der gefährlichste Gegner.
»Du wagst es, gegen meinen Willen zu handeln!«
schäumt der Herrscher auf.
»Der Junge gehört mir. Du hast seinerzeit bestätigt, daß alle Überlebenden der ,Astra’ mir gehören. Dafür auch heute nochmals herzlichen Dank, o Dey.«
Der Türke will Einwände machen, will sagen, daß es damals war und heute keine Gültigkeit mehr habe, vor allem, wenn einer davon den gegebenen Befehlen zuwi-derhandele; aber da steht Mustapha, ein Mann, dessen Fähigkeiten und Geist wichtig sind. So bringt er es nur zu einem matten: »Ich weiß.«
Der Renegat tritt einen Schritt näher, beugt sich vor.
Omar Paschas Augen sind fest auf den Ratgeber gerichtet. Er weiß genau, wie gefährlich dieser Mann ist. Man muß auch als Dey vor ihm auf der Hut sein.
»Ich hoffe, daß dieser Junge einmal einer der besten Kapitäne deiner Flotte werden wird«, flüstert Mustapha ihm zu.
Der Türke erkennt sofort die Schändlichkeit des Gedankens. Da soll ein Europäer die gleiche Rolle spielen wie seinerzeit Horuk Barbarossa, der Gründer der Republik, soll gegen die eigenen Leute kämpfen. Das ist ausgezeichnet, das ist echt Mustapha. Nicht ein Algerier, sondern ein Europäer führt Kampf gegen die europäischen Staaten, schleppt die eigenen Rassegenossen in die Sklaverei. Unbezahlbar dieser Plan.
»Du hast freie Hand«, bestätigt der Dey. »Du wirst nicht zuviel versprochen haben. Ich bin zufrieden mit dir, mein Freund! «
Das Raubschiff wurde neu bemannt. Türken waren nun nicht mehr unter der Mannschaft. Omar ist wieder dabei.
Auch der neue Reis – er allein ist Türke – erhält Anweisung, den Jungen mit allen Geheimnissen der Schiffsführung vertraut zu machen. Der Dey und Mustapha werden darüber Rechenschaft fordern.
Der Vorgänger ist wegen Nichteinhaltung eines Befehls hingerichtet worden. Dieser Gefahr kann man sich nicht aussetzen; besser also, die französischen Kauffahrer ungeschoren lassen und Omar beibringen, was gefordert ist. Daß es nicht ohne Härten abgehen wird, schadet bestimmt keinem.
Wieder wird Omar jede Arbeit zugeschoben, die andere nur mit schiefem Gesicht tun würden. Der Junge ist willig und nicht dumm. Er lernt gern, wenn man sich mit ihm über Karten beugt, ihn mit den Winden und der sich daraus ergebenden Segelstellung vertraut macht, die Handhabung der Waffen erklärt und ihn ab und zu einmal das Steuer bedienen läßt.
Und Mut hat der Kerl. Er fürchtet sich nicht. Erst jetzt, beim letzten Überfall auf den Spanier, hat er es wieder bewiesen. Der Segler wehrte sich. Kugeln flogen die Kreuz und die Quer, Aufbauten, Masten stürzten, brennende Segelfetzen überall. Der Junge hatte sich nicht daran gekehrt, war mit todesmutigem Sprung einer der ersten an Deck des feindlichen Seglers gewesen. Wie ein alter erfahrener Korsar hatte er den Jatagan geschwun-gen, zwischen den Zähnen einen der beiden scharf
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