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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
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ge-schliffenen Dolche gehalten und sich auf die verzweifelt kämpfende spanische Mannschaft geworfen.
    »Brav, Omar! Wirst ein richtiger Korsar werden«, hatte ihn der Kapitän gelobt.
    Des Jungen Lachen war ein Zeichen dafür, daß er ganz zu diesen Leuten gehört, ganz zu ihnen gehören will.
    Livio Parvisi ist Korsar geworden. Gleich grausam, gleich roh und rücksichtslos wie seine Umgebung.
    Einige Meilen Entfernung trennen Luigi und den seit Jahren gesuchten Sohn am Strand von La Calle, und doch liegt eine Welt zwischen ihnen. Über diese kurze Strecke führt keine Brücke vom Vater zum Sohn. Zerrissen sind alle Bande.
    Vater? Omar kennt die türkischen, arabischen und ber-berischen Wörter für Vater wohl, aber sie haben keine Bedeutung für ihn, der keinen Vater hat. Väter sind alle an Bord des Piratenschiffes, wenn Vater Härte, Strenge, Strafe ist, die er tagtäglich zu spüren bekommt, der Schiffsjunge und Korsar Omar.
    Kurzer Aufenthalt in Algier, dann geht es wieder hinaus auf Kaperfahrt. Einmal nach Westen durch die Meerenge von Gibraltar bis vor Portugals Küsten, dann zu den Gestaden Ägyptens, später nach Norden in den Bereich der Herrschaft des Königs von Sardinien, fast bis in Sichtweite Genuas, und hinunter nach Neapel.
    Der Dey Omar Pascha ist gestürzt worden, sein Nachfolger Ali-Kodscha Pascha an der Pest gestorben, Hussein Pascha, der die Macht am 1. März 1818 angetreten hat, entpuppt sich als Franzosenfeind, erläßt keine Befehle, die französische Flagge zu achten.
    Schön ist das Leben an Bord eines Raubschiffes für den größer und kräftiger gewordenen Omar. Eine wilde, ungezügelte Kraft schwelt in ihm, die sich nur im Kampf austoben kann. Er fiebert, wenn vom Ausguck ein Schiff gemeldet wird, ist unglücklich, nicht im Handgemenge stehen zu dürfen, wenn der Reis ihm das Steuer übergibt, während die anderen sich auf die Beute stürzen.
    Einmal reißt ihn die Abenteuerlust hin. Er verläßt seinen Posten. Mitten im wildesten Kampf taucht plötzlich der Schiffsjunge auf, schlägt zu, daß die europäischen Matrosen, die zwei Korsaren arg bedrängten, ganz schnell ihres Vorteils beraubt sind und dem Unheil nicht mehr entgehen können. Omars schrille, anfeuernde Schreie hallen über das Deck, zwingen die anderen, noch rücksichtsloser dreinzuhauen. Ein großer Sieg!
    Glückstrahlend steht der Junge dann vor dem Kapitän, will von seinen Taten berichten, ein Lob, ein Lächeln erwartend.
    »Den Strick für den ungehorsamen Hund!« brüllt der Schiffsführer beim Anblick des blutbesudelten Omar, dessen Kleidung nur noch aus Fetzen besteht.
    Schon greifen eisenharte Hände nach dem erschrockenen Schiffsjungen, um den grausamen Befehl auszuführen, als der Kapitän daran denkt, daß ein Mächtiger die Hand über Omar hält.
    »Nein, nicht sofort! Schließt ihn in Ketten. Ich werde später endgültig entscheiden.«
    Man läuft nicht ungestraft von einer Aufgabe weg, um der Lust zu frönen! Das erkennt der unglückliche Junge, als er, in einem der untersten Räume des Schiffes gefesselt, Zeit hat, über seine Lage nachzudenken. Hier gibt es nur Nacht. Lediglich wenn man ihm ein Stück Brot und einen Krug Wasser bringt, erhellt für wenige Augenblicke ein Lichtstrahl das dumpfe Gefängnis. Der Mann, der unregelmäßig die karge Nahrung vor den Gefangenen hinstellt, spricht kein Wort. Omar hat versucht, ein Gespräch anzuknüpfen, um zu erfahren, was mit ihm werden soll. Seine Fragen finden taube Ohren.
    Wie lange noch diese Ungewißheit? Will man ihn hier zugrunde gehen lassen? Gibt es denn keinen Menschen, der Erbarmen mit ihm hat? Noch einmal die Sonne sehen, noch einmal die Lungen in frischer Luft baden können, und wenn es auch nur für den Augenblick seines Todes sein sollte! Mehr wünscht er sich nicht.
    Nichts geschieht.
    Der Kapitän ist der einzige an Bord, der Omar näher kennt. Er war damals als gewöhnlicher Janitschar dabei, als man die Frau, das Kind und den genuesischen Schiffsführer in Sidi Feruch abholte. Mustapha hatte danach alle Bitten des Mannes, ihn zu fördern, lachend abgelehnt. Beim Kampf gegen die vereinigte britisch-niederländische Flotte hatte er sich ausgezeichnet und war schließlich, ohne Zutun des Gelehrten, zum Kapitän ernannt worden. Ein Glück, daß man ihm den Jungen zusandte, so daß er nicht mit dem Gefürchteten zusam-mentraf. Seit seine Wünsche unerfüllt blieben, zählt der Kapitän zu den entschiedenen Gegnern Mustaphas. Noch ist es ihnen nicht

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