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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
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der Wimper zu zucken, berechtigt oder unberechtigt anzunehmen. Warum schweigt der Mann? Was hat ihm den Mund verschlossen?
    »Du kennst meinen Namen, Freund, aber sicherlich nicht mehr. Wisse: El-Fransi hat noch nie die Ohren verschlossen, wenn deine Brüder Rat und Hilfe brauchten.
    Ich habe nie Dank gefordert, sondern habe meinem Pferd den Sattel aufgelegt und bin davongeritten, wenn man mir für eine Tat einen Schmaus richten wollte. Was ich tat, tat ich aus Liebe.«
    »Ich weiß es. Alles, oder wenigstens vieles, und ich kenne dich ja von deinem ersten Besuch vor Jahren.«
    »Und weigerst dich trotzdem?«
    Alis Vater blickt finster drein. Parvisi wartet gespannt.
    Daran denkt der Mann: Schweigen ist den Dörflern geboten worden. Tun sie es nicht, dann wird das große Schweigen des Todes über sie kommen. Der Dey hat seine Späher überall, wurde hinzugefügt. Keine Frage, die sich auf Omar beziehen könnte, darf beantwortet werden.
    Omar Pascha ist nicht mehr. Ein neuer Dey sitzt auf dem Thron in Algier. Auch er ist der Feind der freiheit-liebenden Berber und Kabylen, Angehöriger des fremden Volkes, das über Gedeih und Verderb der Eingeborenen bestimmt. Man weiß nicht, ob er mit der Sache des jungen Omar vertraut ist. An sich lehnen die neuen Deys alles ab, was mit ihren Vorgängern zusammenhängt, vertreiben die Freunde des alten, setzen dafür ihre eigenen in die hohen Posten und Pfründe. Ein schwieriger Fall, hier richtig zu handeln. Man brauchte sich keine Gedanken zu machen, fragte ein anderer, unbekannter Mann nach dem Jungen. Ein Achselzucken wäre die Antwort. Mehr nicht. Da aber sitzt El-Fransi, der Freund und Gleichgesinnte; denn dieser Fremde ist kein Türken-freund. Er wird Gründe haben, sich des Kindes besonders anzunehmen, wird auch hier, wie in so vielen Fällen, nichts als Helfer sein wollen, vielleicht sogar einmal die Hand reichen, sollte der Tag kommen, da das Volk aufsteht, um sich von den Unterdrückern zu befreien.
    »Komm! Mein Haus ist das deine. Du bist mein Gast«, fordert er schließlich den Jäger auf.
    Die Einladung läßt Gutes erhoffen.
    »Frage«, wendet sich Alis Vater dann, als man auf den Matten Platz genommen hat, an Luigi.
    »Ich habe keine besonderen Fragen, bitte dich, mir alles, vom Tage der Ankunft bis zur Abholung Omars, zu erzählen.«
    Viel wird berichtet, nichts aber von dem früheren Le-bensweg des Jungen. Wer er ist? Unbekannt. Daß ihn das ganze Dorf einhellig am Anfang haßte, den Schützling des Deys, ist verständlich; daß man ihn später aufrichtig liebgewann, läßt Luigis Herz schneller schlagen.
    Sein Sohn, denn nun ist jeder Zweifel ausgeschlossen, hat diese Liebe und Hochachtung durch Taten errungen.
    »Mehr weiß ich nicht«, schließt der Erzähler. »Wohin man Omar bringen werde, wurde nicht gesagt. Wir hatten uns geweigert, ihn ziehen zu lassen, aber was konnten wir schon tun?«
    »Ich danke dir und allen deinen Brüdern. Ihr habt einen der Flecke ausgetilgt, die auf dem Namen ,Algier’ liegen.«
    Der Eingeborene versteht nicht, was El-Fransi damit sagen will. Parvisi läßt es dabei,
    »Ihr werdet«, fährt er fort, »vom Vater des Kindes reich belohnt werden. Geduldet euch einige Zeit und glaubt El-Fransi.«
    »Wir haben Omar später so wie unsere eigenen Kinder gehalten, ohne nach Belohnung und Dank zu fragen. Er war einer von uns. Wenn du den Jungen seinen Eltern zurückbringen kannst, wird es uns freuen.«
    Luigi Parvisi liegt am Strand von La Calle. Lange hat er darüber nachgegrübelt, warum Livio aus dem Berber-dorf entfernt worden war. Er findet keine einleuchtende Begründung dafür. Nur das scheint festzustehen: Lebensgefahr droht seinem Sohn nicht. Wahrscheinlich genügt es den Türken, ihn zu einem Werkzeug abzurich-ten, aus einem Europäer einen Berber oder was sonst werden zu lassen.
    Schon wieder ist ein Blatt im Buch der Geschichte der Deys von Algier umgewendet worden. Nach nur kurzer Regierungszeit wurde Ali-Kodscha Pascha, dieser grausame, blutgierige, wollüstige Herrscher, ein Opfer der Pest. Sein Nachfolger ist Hussein Pascha. Ali-Kodscha Pascha übertrug auf dem Sterbebette die Herrschaft an Hussein. Einmalig, daß der alte Dey den neuen bestimmt, und einmalig, daß der Diwan, der Staatsrat, diese Entscheidung bestätigte.
    Draußen, weit draußen, ganz klein nur zu sehen, fährt ein Segler vorbei. Ist es ein europäisches Schiff oder ein Korsar? Luigi vermag das nicht zu erkennen.
    Selim ist nicht da. Er führt einen

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