Unter Korsaren verschollen
gelungen, diesen Mann zu Fall zu bringen. Vielleicht kann man ihm mit dem Gefangenen eins auswischen. Über das Wie ist sich der Reis noch im unklaren.
Sturm? Die Fregatte schlingert wild. Omar wird zur Seite geworfen. Die Ketten halten den Fall auf. Die Ei-senringe um Hände und Füße schneiden ins Fleisch.
Dann Schüsse. Kampf also. Und er gefangen in diesem Verlies.
»Laßt mich hinaus! Ich will kämpfen! He, Freunde, nehmt mir die Ketten ab! Hinaus, hinaus!« brüllt Omar.
Wie lange und wie oft er geschrien hat, er weiß es nicht. Niemand kommt, sich seiner anzunehmen. Man braucht ihn nicht. Und die Eisen sind, fest. Ihren Klammern kann man nicht entfliehen, auch wenn die Muskeln zum Bersten angespannt werden.
Erschöpft sinkt er zurück. Es ist alles vergeblich. Nur ein Wimmern bleibt und Nacht.
Vielleicht, daß die Korsaren besiegt werden und man ihn befreit! Es ist ein Gedanke, der aber nicht Hoffnung ist. Was soll er bei den Christen, er, der ein Korsar und Mohammedaner ist? Hierher gehört er, in den Kampf, an dem teilzunehmen ihm nicht erlaubt ist.
Die Kehle ist trocken vom Schreien, die Luft dumpf und stickig. Unbewußt greift er nach dem Krug. Wo ist er? Umgefallen, das Wasser herausgelaufen. Kein Tröpfchen mehr darin.
Vergessen der Gefangene, unwichtig in diesen Stunden für seine Freunde, die Freundschaft nur so lange halten, wie es dem Kapitän angenehm ist.
Wie lange ist er schon in diesem Raum? Drei Tage? Ei-ne Woche? Oder länger? Was hat man mit ihm vor?
Wann wird man ihn wieder freilassen, ganz frei, oder abholen, um ihm doch noch den Strick um den Hals zu legen? Es ist alles gleich. Wenn nur dieses Ungewisse, tötende Warten ein Ende hätte.
Die Tür knarrt in den Angeln, ein Lichtstrahl huscht über das stinkende, verdreckte Verlies, über den ver-wahrlosten, dumpf stierenden Menschen.
Da fällt das Licht ihm in die Augen. Sie werden groß.
Plötzlich ist das Verstehen, das Denken wieder da.
Man holt ihn! Endlich! Allah sei Dank!
Herrlich dieses Zusammenklirren von Eisen auf Eisen, das der Schlüssel hervorlockt. Wie ganz anders klingt es jetzt als während der unzähligen Male, da der Gefangene die Ketten zu zersprengen versuchte.
Die Füße sind frei. Man kann sie bewegen. Nun auch die Arme. Omar will aufspringen, torkelt an die Schiffs-wand, fällt einem der Männer vor die Füße.
»Komm!« Der Befehl ist unsinnig; denn der Junge kann nicht stehen, seine Glieder sind steif, gelähmt durch die lange Zeit in gleicher Lage.
Sie nehmen ihn unter die Arme. Unsicher setzt er Fuß vor Fuß. Die Treppen hinauf muß man ihn tragen.
Es ist Tag. Die im Zenit stehende Sonne wirft Gold-bündel auf die Fregatte. Gold, so gleißend, in solcher Menge, daß Omar das Licht wie einen Peitschenhieb empfindet.
Einige Korsaren stehen umher, lehnen an Taubündeln, beobachten mit schiefen Blicken den Jungen. Der Kapitän ist nicht zu sehen. Der Unterreis führt das Schiff.
Was wird geschehen? An Bord ist alles ruhig. Nichts deutet an, daß man ihn hinrichten wird.
Omar atmet tief, zieht die frische Luft wie ein japsender Hund in sich hinein.
Man schwingt ein Boot aus, in das Omar steigen muß.
Jetzt erst merkt der Junge, daß man sich nahe am Land befindet. Die Ruderer sind mürrisch, müssen immer wieder von dem begleitenden Offizier angefeuert werden.
Omar liegt auf dem Boden des Kahns. Er ist zu schwach, aufrecht zu sitzen.
Einer der Ruderer war ihm immer freundlich gesinnt.
»Was wird mit mir?« wagt der Junge zu fragen.
Der Mann scheint es nicht gehört zu haben. Noch einmal die Frage. Ganz leise.
Der andere blickt in die Runde. Der Offizier steht am Bug des Bootes, betrachtet den Strand und die Dünung.
»Man bringt dich zu Scheik Osman in den Felizia-Bergen«, murmelt der Ruderer und greift stärker in die Riemen.
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Scheik Osman – Felizia-Berge? Sind das Namen, natürlich Namen, aber darüber hinaus auch Begriffe? Omar weiß es nicht.
Omar, der Europäer, der zum echten Korsaren wurde, ist zum Sklaven bestimmt.
Und El-Fransi sucht weiter den Sohn, sucht Livio.
MUSTAPHA
Benellis Haus war bei dem Beschuß durch die europäische Flotte verschont geblieben. Der Renegat hatte mit den Zähnen geknirscht, als die Kugeln die Stadt in Brand setzten, um seine Schätze gebangt und um die Herrschaft des Deys gezittert. Mit ihrem Ende wäre auch seine Macht gebrochen gewesen. Während der Beschießung befand er sich bei Omar Pascha, dem er den Rücken ge-stärkt und den er immer
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