Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
Vom Netzwerk:
wieder zum Durchhalten ange-spornt hatte. Schon bald war ihm klar geworden, daß Lord Exmouth es nicht zum Äußersten treiben werde.
    Und sein Weitblick hatte nicht getäuscht.
    Stümper! Mit diesem Urteil über den englischen Admiral war für ihn der Fall erledigt, der Vertrag in seinen Augen nichts anderes als eine Lächerlichkeit, eine Beru-higungspille für die geschädigten europäischen Staaten.
    Daß der jetzige Dey, Hussein Pascha, die alten freundschaftlichen Beziehungen zu Frankreich mißachtet, gibt dem Leben neuen Reiz. Algier gegen die »Grande nation!« Er, Benelli, wird die Hand im Spiele haben.
    Gravelli schrieb, daß Luigi Parvisi sich wahrscheinlich wieder in Algerien befinde. Der Wink wurde beachtet, aber seine Leute fanden keine Spur des Italieners. Sie stießen nur ab und zu auf El-Fransi, der ein Franzose aus La Calle sein soll. Bisher ist diesem leidenschaftlichen Jäger nichts in den Weg gelegt worden, da Omar Pascha ängstlich bemüht war, die Bande zu Frankreich nicht zu zerstören.
    Nun ist dieser Grund weggefallen. Es war eine Kleinigkeit, den Argwohn des neuen Deys auf El-Fransi zu lenken und die Erlaubnis zu erhalten, diesen Mann zu überwachen und, wenn nötig, zu beseitigen.
    Benelli will eben die Aufzeichnungen über El-Fransi, die er sich nach Berichten seiner Spitzel zusammenge-stellt hat, hervorsuchen, als Kanonenschüsse über die Stadt rollen.
    Er stürzt mit dem Glas unter dem Arm auf das Dach des Hauses. »Ah, das Schiff mit Omar! Ich werde mich sofort mit dem Kapitän unterhalten«, murmelt er vor sich hin.
    Obwohl noch etliche Zeit verstreichen wird, bis der Korsar vertäut ist, hat Benelli im Augenblick keine Lust, sich weiter mit dem Fall El-Fransi zu beschäftigen.
    Als einer der ersten betritt er das Deck des Raubschiffes. Der Reis erwartet ihn mit finsterer Miene.
    Diesen Mann kenne ich doch, wenn er auch damals anders hieß, jünger war, schießt es Benelli durch den Kopf.
    Nichts anmerken lassen. Ganz sachlich fragt er:
    »Hat Omar, der Schiffsjunge, dessen Ausbildung ich dir ans Herz legen ließ, gute Fortschritte gemacht?«
    »Er war ein sehr gelehriger und mutiger Junge, Mustapha.«
    »Was ist das? War?« Die Augen Benellis bohren sich in die des Türken. »Er ist tot.«
    »Du lügst, Reis!« Der Renegat hatte bemerkt, daß der Kapitän den Blick abwendete, als er die Antwort gab.
    »Ich würde es nicht wagen, einem so großen und mächtigen Mann falsch zu berichten. Was hätte ich davon?«
    »Erzähle!«
    »Im Kampf getötet. Er war einer meiner kühnsten Leute. Tatenlustig, unbesonnen, ungehorsam lief er von dem Posten weg, den ich ihm übertragen hatte«, schließt der Schiffsführer den Bericht.
    Benelli kehrt sich ab. Kein Muskel zuckt in seinem Gesicht. Starr blickt er über das Hafenbecken.
    »Ungehorsam?« Blitzschnell hat er sich umgedreht, das Wort herausgeschleudert.
    »Ja.« Der Kapitän fährt zusammen, als er die Bestätigung gegeben hat. Zu spät merkt er, daß er in eine Falle getappt ist, die über ihm zuschlägt. Zu spät wird ihm bewußt, daß er doch dem gefährlichsten Mann Algeriens gegenübersteht.
    »Du hast ihn getötet!« stößt Benelli wieder vor.
    »Beim Barte des Propheten: Nein!«
    »Wenn du falsch geschworen hast, Reis, wird dich nichts auf der Welt vor meiner Rache schützen!«
    »Warum beleidigst du mich, Mustapha? Frage jeden der Mannschaft. Man wird dir bestätigen, daß ich die Wahrheit gesprochen habe.«
    »Pah. Du lehrst mich nichts. Ich weiß genau, wie man die Menschen zwingt, daß sie sagen, was sie sollen. Sei beleidigt oder nicht, was kümmert’s mich! Ich wiederhole: Du lügst!«
    Er lügt. Omar ist nicht tot. Benelli ist fest davon überzeugt, daß seine Annahme richtig ist. Es darf nicht sein; denn Omar ist in seinem Spiel eine ungewöhnlich wichtige Figur, die ein kleiner Kapitän nicht aus dem Feld schlagen darf.
    Der Italiener betrachtet das neue Verhältnis zu Frankreich anders als der Dey. Mit den Augen des Europäers.
    Auf die Dauer wird sich diese Großmacht nicht so behandeln lassen wie die anderen europäischen Staaten.
    England hat bewiesen, daß es wohl die Hand erheben kann, aber nicht endgültig zerschlagen will. Mit Frankreich könnte es anders sein. Geschieht das, dann hängt der Bestand der Regentschaft Algerien an einem seide-nen Faden. Man verhungerte nicht, wenn die Türken vernichtet würden, aber ein geruhsames Leben bedeutet für einen Mann vom Schlage Benelli – verhungern. Es ist besser, für

Weitere Kostenlose Bücher