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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
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diesen unerwünschten Fall eine Trumpf-karte in der Hand zu haben. Das Trumpfblatt ist Omar.
    Mit ihm kann man Gravelli bis aufs Blut aussaugen, den alten Parvisi und auch den Sohn nach Herzenslust schröpfen. Auch ein toter Omar ist noch Gold wert, ein lebender aber ungleich wertvoller: Ein Zeuge!
    Stundenlang sitzt der Renegat in Gedanken vertieft. Na-türlich lügt der Reis. Wort für Wort baut der Geist Benellis die Unterhaltung nochmals auf. Er täuscht sich nicht, entsinnt sich jeder Einzelheit, jedes Tonfalls.
    Er kommt nicht von dem kleinen Wort »ungehorsam«
    los. Wenn ein Mitglied eines Korsarenschiffes ungehorsam ist, dann macht der Kapitän kurzen Prozeß. Hat in diesem Fall der Reis von seinem Recht Gebrauch gemacht, ist Omar tot. Aber dann ist auch die ganze Erzählung zwecklos gewesen. Niemand – und Mustapha denkt gar nicht daran, daß für ihn eine Ausnahme gelten könn-te – würde Klage dagegen erheben können; denn es hie-
    ße, die Grundpfeiler der Korsarenmacht niederreißen, die auf Furcht und Schrecken und blindem Gehorsam gebaut ist.
    Beim Barte des Propheten ist beschworen worden, daß Omar nicht von dem Reis oder, was das gleiche ist, auf seinen Befehl getötet wurde. »Oder er hat ihn beseitigt!«
    Benelli springt auf. »Omar lebt! Irgendwo versteckt ist er. Warte, Schurke! Mir bist du nicht gewachsen. Ich werde ihn finden, und dann rechnen wir ab.« Eine hämische Freude ist in dem Ausruf des Italieners. Ein Abenteurer wie er braucht besondere Anlässe, um seinen ganzen Witz und seine Verschlagenheit schäumen zu lassen.
    Der Diener wird mit Befehlen und Aufträgen überhäuft.
    Wie ein Wunderwerk arbeitet der Geist des Renegaten.
    Kurz danach jagen seine Spitzel durch die Regentschaft. »Bringt Omar, den Schiffsjungen! Schnellstens!«
    ist ihnen allen geboten.
    Zwei suchen den Jungen: der Vater und der Renegat Benelli. Dieser ist sicher, daß seine Spürer Erfolg haben werden, jener hat nichts als die Hoffnung, eines Tages wieder die verwehte Fährte zu finden.
    Das Sklavenlager Scheik Osmans in den Felizia-Bergen ist leer, wenn man den einen Europäer übersieht, den es noch beherbergt. Und man übersieht ihn; denn früher waren es immer an die eintausendfünfhundert Menschen, die hier ein Leben in Angst und Not führen mußten.
    Der Scheik, ein Sechzigjähriger, hat den ihm übergebe-nen Jungen verächtlich gemustert. Was soll er mit ihm, einem Mohammedaner? Was fällt dem Freund ein, diesen Burschen zu schicken? Eine Unverfrorenheit ist es; der Zorn Allahs kann sie beide dafür, ihn, den Scheik, und den Reis treffen. Dabei wurde nicht einmal der Grund für die Übersendung genannt.
    Das Leben ist fad und öde geworden, seitdem die Sklaven die Freiheit zurückerhalten mußten. Gern war sie ihnen verständlicherweise nicht gegeben worden. Osman hatte geflucht, berechnet, welchen Verlust er erlitt. Aber der Dey hatte befohlen, unterschrieben, daß alle Sklaven freizugeben wären, und der Dey ist ein noch mächtigerer Herr als der große und gefürchtete Scheik.
    Osman war für Tage unsichtbar geblieben, als die Europäer fortzogen. Was nützte ihm der eine noch, der nicht der Macht des Herrschers unterstand? Ihm brauchte keine Heimkehr gewährt zu werden. Einer in dem Lager, wo einst eintausendfünfhundert fast aufeinanderlagen.
    Weg mit ihm, dem kärglichen Rest einstiger Größe und Freude! Weg mit ihm, wenn nicht Schwierigkeiten eintreten sollen.
    Ihm das Leben nehmen? Der Scheik hatte es im Sinn gehabt, hätte es ausgeführt, wenn sein Besitzer nicht ~
    Mustapha wäre. Mit diesem Mann wagt Osman nicht anzubinden, obwohl er sich seinen guten, besten Freund nennen kann.
    Mustapha hatte den Fremden seinerzeit zwar nicht persönlich gebracht, war aber kurz danach ins Lager gekommen und hatte auf ihn und die anderen von der – er nannte den Namen eines Schiffes – besonders hingewiesen. Ja, der Mann war nicht allein gewesen, aber die anderen waren inzwischen den Anstrengungen eines Skla-venlebens erlegen. »Sie sind mein, kein anderer, auch der Dey nicht, kann über sie bestimmen«, hatte Mustapha gesagt. Und dem Scheik genügte das, die Fremden im Auge zu behalten. Daß sie starben – darf man Scheik Osman dafür zur Rechenschaft ziehen? Es war keine Anweisung ergangen, die Leute besonders zu behandeln, nicht besonders gut, aber auch nicht besonders schlecht, eben so, wie alle anderen behandelt wurden.
    Der eine blieb übrig. »Gut, bringt Omar zu dem anderen!« befiehlt der

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