Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
Vom Netzwerk:
welcher Zärtlichkeit Omar dieses »Vater« spricht, so, als ob er jeden Laut besonders fühle. Benedetto hockt sich neben den Liegenden.
    »Erzähle mir, weshalb man dich hierhergebracht hat«, bittet er den Gefährten.
    Gut gearbeitet, stellt Benelli fest, während der Araber noch berichtet. Es hat sich gelohnt, diesem El-Fransi nachzuspüren. Heute sind viele Lichter in das bisher blasse Bild gesetzt worden.
    Der Mann kann abtreten.
    Alle neuen Begebenheiten, die er soeben erfahren hat, schreibt der Renegat nieder. Dann holt er die bisher vorliegenden Berichte hervor. Obwohl er keinen offiziellen Posten im Diwan hat, wissen alle, daß er so etwas wie ein geheimer Polizeiminister ist. Er überwacht alle Vorgänge in der Regentschaft. Das ist der Grund, weshalb sich alle mit ihm gut zu stellen versuchen. In dieser Ei-genschaft hat er sich zwar schon laufend über die Reisen El-Fransis berichten lassen und Aufzeichnungen gemacht, ohne ihnen aber viel Wert beizumessen.
    Ein Außenstehender würde mit den Notizen nichts anzufangen wissen. Für einen Benelli spricht aber auch das wenige noch eine beredte Sprache, wenn er etwas wittert. Da eine Andeutung, dort eine ähnliche, und im dritten Bericht noch einmal dasselbe. Das genügt, um eine Verbindung zwischen ihnen zu knüpfen, vor allem, da man sich jetzt richtig auf die Spur gesetzt hat.
    Er sucht Nachteiliges über El-Fransi, will, muß Nachteiliges finden. Schon immer war ihm dieser Fremde ein Dorn im Auge, den man aber nicht herausziehen konnte, weil der Dey es nicht wollte. Das ist vorbei. Man hat freie Hand. So ist sein Spürsinn nun geschärft und findet Überraschendes, das ihm für einen Augenblick den Atem verschlägt: Es handelt sich nicht um einen, sondern um zwei El-Fransis!
    Der eine kümmert sich nicht um Kinder, der andere da-für um so mehr. Einer ist nur Jäger – oder mehr? –, der andere Kinderfreund und Jäger.
    Luigi Parvisi!
    Benelli springt auf. Der Mann, der nicht leicht aus der Ruhe zu bringen ist, jede Lage kühl abwägend betrachtet und sofort seine Maßnahmen trifft, ist sprachlos. Mit großen Schritten durchmißt er den Raum, dann wirft er sich in den Sessel zurück. Hier in seinem Arbeitszimmer, das außer dem Diener kein anderer Mensch je be-treten hat, ist Mustapha Europäer. Da hockt er nicht auf dem Boden, hat er keinen kniehohen Tisch, sondern einen richtigen Schreibtisch stehen. Er wühlt in den Papieren, die die Platte bedecken. Ein Blick auf jede Eintragung genügt. Die einen hierhin, die anderen auf einen zweiten Haufen. Wichtig – unwichtig. Rechts das Wichtige, links das Unwichtige. So, und nun noch einmal von vorn.
    Die Leute haben wirklich ausgezeichnet gearbeitet, stellt er nochmals fest. Es war auch nicht schwer. El-Fransis Handlungen sind so oft Gesprächsstoff in den Dörfern und Lagern, daß man gar nicht zu fragen braucht, um etwas zu erfahren. Die Ohren offengehalten, und schon weiß man genug, um ein abgerundetes Bild entstehen zu lassen.
    Der zweite El-Fransi taucht erst Monate nach der Kape-rung der »Astra« auf. Er könnte also Luigi Parvisi sein.
    Aber…
    Die Lippen sind plötzlich fest aufeinandergepreßt, die Augen halb geschlossen, tiefe Furchen um die Mundwinkel. Er denkt scharf nach. Keinen Blick wendet er von dem vor ihm liegenden Blatt, aber er liest nicht, durchstößt gleichsam Raum und Zeit.
    Immer ist dieser Neger Selim dabei. Bei dem einen, bei dem anderen. Also gibt es doch nur einen El-Fransi?
    Benelli wirbelt die Papiere durcheinander, zerknüllt sie.
    Er fühlt, daß er in eine Sackgasse zu geraten droht.
    Der Diener ist lautlos eingetreten. Nur der Luftzug zeigt an, daß die Tür geöffnet wurde. Der ihm entgegen-geschleuderte Blick sagt mehr als Worte: Nicht stören!
    Selim ist bei dem Jäger und auch bei dem Kinderfreund. Gibt es etwa auch zwei Neger gleichen Namens, gleicher Art? Zwei gleiche? Zuviel des Zufalls.
    Nein, Selim ist überall derselbe, El-Fransi aber – zwei Personen. Wenn einer den anderen ablöste?
    Lange vor der Vernichtung der »Astra« war El-Fransi bei den Eingeborenen bekannt, beliebt und verehrt und ist es heute noch.
    So kommt man nicht weiter. Man muß das Rätsel anders zu lösen versuchen.
    Der Jäger El-Fransi kommt aus La Calle, ein Franzose.
    Das steht fest. Alle Spuren führen nach diesem alten französischen Platz. Auch der Kinderfreund El-Fransi hängt mit dem Hafen zusammen.
    Oder mehr? Das Unterbewußtsein wirft plötzlich einen Gedanken auf, der schon

Weitere Kostenlose Bücher