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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
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Scheik.
    Benedetto Mezzo, der Gefangene – denn diese Bezeichnung ist seit einiger Zeit richtiger als Sklave –, beobachtet den Jungen lange. Er ist ein Stück zur Seite ge-rückt, damit der Neue sich mit auf das Strohlager legen kann.
    Daß man ihm plötzlich wieder einen Leidensgenossen gibt, überrascht ihn. Der wievielte ist es? Nein, nicht nachrechnen, nicht zurückdenken an die Unglücklichen, die mit ihm zusammengeschmiedet waren und nun stumm sind, nicht mehr unter den Lebenden.

    Er beobachtet, schweigt, wartet ab. Das Gleichgewicht, das er in einsamen Nächten zurückgewonnen hat, ist gestört. Wieder befällt ihn die furchtbare Frage: Warum hat man mich, der ich auch ein Europäer bin, nicht mit den anderen freigelassen? Es war ihm gelungen, diese Frage zum Schweigen zu bringen. Nun steht sie wieder in ihrer ganzen Schwere auf.
    Schuld daran trägt der Junge. In dem ehemaligen Sklaven keimt Haß. Niemals will er mit dem jungen Burschen Freund werden.
    In die finsteren Gedanken fallen Seufzer Omars. Der Neue weint.
    Schon hebt Benedetto die Hand, um den Unglücklichen zu trösten, da zieht er sie schroff zurück. Was geht ihn dieser Eingeborene an, dieser Junge von Menschen, die niemals Mitleid mit den Sklaven hatten. Möge er selbst erleiden, was man lachend unzähligen Europäern angetan hat.
    Und doch, so hart und gefühllos er in dieser Hölle geworden ist, im Unterbewußtsein fühlt er mit Omar. Das Weinen des jungen Menschen schneidet ihm ins Herz.
    Aber der Fremde ist ein Araber. Als man ihn brachte, sprach er fließend Arabisch mit den Männern.
    Ein letztes Aufstoßen, ein letzter Seufzer. Der Junge wischt sich die Tränen von den hageren Wangen. Verstohlen verfolgt es Benedetto, soweit das geringe Licht des kleinen Mauerdurchbruchs es gestattet.
    »Wie heißt du?« fragt Omar in Arabisch. Er muß die Frage ein paarmal wiederholen. Der Italiener hatte sie bereits anfangs verstanden, aber er will nichts mit Omar zu tun haben.
    Der Junge rückt plötzlich zum Rand des Lagers, vergräbt den Kopf in die Arme und fängt wieder an zu wei-nen.
    Hat man Benedetto einen Schlag ins Gesicht versetzt?
    Ihm ist es jedenfalls so. Das Blut schießt ihm zum Kopf.
    Stoßweise geht sein Atem. Gedanken peinigen ihn er-barmungslos. Ist das Unglück für einen Araber weniger schwer als für einen Europäer? Gibt es einen Unterschied zwischen einem unglücklichen Mohammedaner und einem unglücklichen Christen? Sind nicht alle Menschen zu bedauern, denen man aus-eigensüchtigen Gründen die Freiheit raubt? Ist nicht jeder Mensch zuerst doch Mensch, dann erst Europäer, Araber, Maure, Neger?
    Und er, der das Maß der Not bis zur Neige geleert hat, dessen Herz um eine mitfühlende Seele gebettelt, gewin-selt hat, er ist hart, kalt, gefühllos einem halben Kind gegenüber!
    Benedetto wirft sich herum, reißt Omar an sich und brüllt ihm ins Gesicht: »Meinen Namen? Ich habe keinen Namen mehr, bin nur ein Gefangener wie du, ein Nichts, dem man befiehlt, wie sein Leben zu verlaufen hat.« Enttäuschung, Zorn, Anklage liegen in diesen Worten, unter deren Wucht sich der Junge duckt. Als des Alten Erregung abgeebbt ist, fährt er ruhiger, fast leise fort: »Ich habe natürlich einen Namen, aber einen, der dir unverständlich wäre. Nenne mich… Ach, ich weiß nicht wie.«
    »Sklaven haben keinen Namen? Dann werde ich auch nicht mehr Omar heißen?«
    »Für mich wirst du immer Omar sein!«
    »Und ich will dich… Vater nennen.«
    »Vater?« Dem Italiener ist es, als durchbohre man sein Herz mit glühendem Eisen. Der Mensch, dem er noch vor wenigen Augenblicken Feindschaft ansagen wollte, nennt ihn mit dem Wort, das nächst Mutter das kostbar-ste auf Erden ist.
    »Warum Vater?« fragt er verstört.
    »Weil ich nie jemand Vater rufen durfte.«
    Stumm erhebt sich Benedetto, schiebt das Stroh zusammen, schiebt es unter Omar, daß der Junge weich liegt.
    »Was tust du?«
    »Dir ein einigermaßen erträgliches Lager bereiten, Omar.«
    »Und du?«
    Ein Lächeln huscht über das zerfurchte Gesicht des ehemaligen Sklaven, das in diesem Augenblick schön ist. Noch einmal hat das Leben Sinn und Zweck – er hat nicht geglaubt, daß es wieder dahin kommen werde.
    Jetzt sieht er es, spürt mit jeder Faser seines Körpers, daß der Unglückliche reich ist, wenn er Mensch sein kann.
    »Um mich sorge dich nicht. Ich schlafe auf dem kahlen Boden. – Keine Widerrede! Ich bin es gewöhnt; es macht mir nichts aus.«
    »Du bist gut, Vater!« Mit

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