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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
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Leutnant.«
    »Unnötiger Ballast. Was sollen wir mit ihr?« Der Offizier ist verärgert, daß sich Pierre-Charles so in den Vordergrund schiebt.
    »Wie schon angedeutet… ich glaube, daß der Mann das Opfer eines Verbrechens geworden ist. Es aufzuklären, falls uns der Unglückliche, ohne Auskunft geben zu können, stirbt, kann jeder Gegenstand aus seiner Umgebung wichtig werden. Wäre es eine gewöhnliche Planke, dann könnte sie wohl nichts aussagen. Eine Tür läßt vielleicht Schlüsse auf die Herkunft des Schiffes zu, auf dem der Verletzte fuhr.«
    Jetzt verfinstern sich die Mienen des Leutnants sichtlich. Aber er weiß, welche Hochachtung, fast Unterwür-figkeit Kapitän Deslonge dem Sohn Xavier de Vermonts entgegenbringt und möchte keinen Anpfiff wegen Miß-
    achtung der Gründe Pierre-Charles’ einstecken.
    »Ins Schlepptau mit der Tür!« befiehlt er mürrisch.
    »Und nun endlich los. Eins, zwei, drei – eins, zwei, drei!« Die Kommandos kommen so schnell, daß die Matrosen die Riemen nicht danach bewegen können. Der junge ehrgeizige Offizier will zeigen, daß er und nicht der Passagier der »Toulon« Führer und Verantwortlicher der Schaluppe ist. -
    Alle Bemühungen des Schiffsarztes, den Bewußtlosen aus dem gefährlichen Zustand zu wecken, bleiben erfolglos. Kaum, daß man ihm etwas Nahrung einflößen kann.
    Wer ist der Fremde? Papiere hat er nicht bei sich. Lediglich ein Stift und ein Stück Zeichenpapier mit den Umrissen eines Kinderkopfes fanden sich in einer der Taschen seiner Hose. Es scheint, als ob der Mann gera-dewegs aus dem Bett gekommen sei, als das Unglück über ihn hereinbrach.
    Der Schiffszimmermann hat die Tür untersucht. Italienische Arbeit, stellt der Fachmann fest. Doch was bedeutet das? In Italien gebaut, heißt noch lange nicht, daß das Schiff auch eine italienische Flagge geführt hat.
    De Vermont erkennt das an. Man muß warten, bis der Fremde selbst berichten kann. Hoffentlich geschieht das bald. Allgemein wird auf der »Toulon« angenommen, daß man es mit einem Überlebenden eines von Korsaren gekaperten Schiffes zu tun hat.
    Nach dem Abendessen, als die Offiziere und die beiden Reisenden sich die Pfeifen gestopft haben und wie immer zusammensitzen, verstehen es die beiden Vettern, den Doktor zu sich zu ziehen. De la Vignes Augen strahlen in Begeisterung, aber er fühlt, daß es jetzt wichtiger ist, zu schweigen und zuzuhören als mitzureden in Dingen, die ihm gänzlich neu sind. Wie ein Mäuschen verfolgt er jedes Wort, merkt sich, was ihm bedeutungsvoll erscheint.
    Seit der Übernahme des Kranken an Bord der »Toulon«
    ist man fast jede Stunde an seinem Bett gewesen. Obwohl de la Vigne den Mann gefunden hat, fühlt sich de Vermont irgendwie verantwortlich für den Schiffbrüchigen. Er weiß selbst nicht, was ihn zu dem Fremden treibt. Sicherlich ist es das Geheimnisvolle, das Ungewöhnliche, Abenteuerliche, das ihn fesselt. Jedenfalls hat er bereits eine zweite, eingehendere Untersuchung veranlaßt. Das Ergebnis ist noch nicht bekannt, da der Arzt vom Krankenlager weg 2um Essen gekommen ist. Jetzt wird man den Befund erfahren. Er ist wenig ermutigend.
    Der Schlag, wenn man der Ansicht de Vermonts, daß es sich um ein Verbrechen handelt, zustimmt, oder eben der Unglücksfall, sollte es sich um einen solchen handeln, hat eine schwere Nervenstörung ausgelöst. Es besteht Gefahr, daß der Mann das Erinnerungsvermögen verloren hat. Vielleicht bleibt auch nur eine Lähmung zurück.
    Einige Zeit bis zur vollständigen Genesung wird aber verstreichen.
    »Was soll mit ihm geschehen? Wohin mit ihm?« fragt de Vermont.
    »Ins Lazarett nach Ceuta. Es ist das beste.« Der Arzt möchte so schnell wie möglich von diesem Fall befreit sein.
    Da der junge Franzose darauf nichts erwidert, blickt der Doktor auf. De Vermonts Stirn ist umwölkt.
    »Der Vorschlag scheint Ihnen nicht genehm zu sein, Herr de Vermont?«
    »Ganz recht, Doktor. Ich weiß nicht, ob ein Lazarett der geeignete Ort für einen so außergewöhnlichen Fall ist.
    Der Mann braucht vielleicht als beste Medizin vollkommene Ruhe. Ich weiß es nicht.«
    »Sie haben das Richtige getroffen. Ruhe und Geduld sind das einzige, was ihm helfen kann. Wahrscheinlich, wenn der Schlag keine körperliche Lähmung ausgelöst hat, wird der Mann das Bett schon bald verlassen können. Er wird umherlaufen, aber eben ohne Wissen um sein Tun. In die Sonne darf er für die nächste Zeit nicht, und man muß sich hüten davor, durch

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