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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
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Schiffes in Malaga, dann das Auslaufen der »Toulon«
    aus Marseille – es bleibt kein anderer Schluß, als daß die Wracktrümmer von dem genuesischen Kauffahrteischiff stammen müssen. Die französische Fregatte ist nur wenige Stunden später an der Unglücksstelle eingetroffen.
    Und dann eben das Wichtigste – Gott sei Dank, daß es Pierre-Charles erwähnt –, der Stift und die begonnene Zeichnung. Andrea hat oft von den künstlerischen Fähigkeiten Luigis gesprochen, sogar aus der Stadt Zeichnungen holen lassen, um sich mit dem Freund daran zu erfreuen.
    »Brav, brav, Pierre-Charles!« Der Kaufherr spricht sein Lob und seine Zufriedenheit laut aus, gleichsam als kön-ne der Sohn es über Hunderte von Meilen hinweg in Afrika hören, daß der Vater mit seiner Handlungsweise einverstanden ist.
    Sofort Parvisi verständigen! Ihm von der Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit berichten, daß Luigi lebt. Weiter: Mit der nächsten Postmöglichkeit Pierre-Charles beauf-tragen, nach dem Schicksal der »Astra« und der auf ihr in Gefangenschaft Geratenen zu forschen. Gleiche Bitte an den französischen Konsul in Algier. An den französischen Konsul? De Vermont überlegt. Pierre-Charles ist mehr zuzutrauen als dem Beamten. Setzt sich der Konsul wider Erwarten zu sehr ein, dann kann statt Gutem Bö-
    ses ausgelöst werden. Der Dey ist ein schwer zu behan-delnder Mann. Launisch, argwöhnisch, hinterlistig, wild.
    Vielleicht verschärft er das Los der mit der »Astra« in seine Hände gefallenen Italiener, wenn er merkt, daß sich Frankreich – auch nur auf de Vermonts Drängen hin
    – für sie einsetzt. Es ist besser, den amtlichen Weg nicht zu begehen. Vor allem muß Pierre-Charles Spuren von Raffaela Parvisi und dem kleinen Livio finden. Hat man sie, dann läßt sich alles andere regeln. -
    Wochen sind vergangen. Pierre-Charles ist längst wieder ins Innere abgereist. Gern hätte er das Erwachen seines Schützlings erlebt, aber der Kranke bleibt unberührt von allen äußeren Eindrücken und Einflüssen. Er ißt und trinkt mechanisch, folgt ohne Weigerung, wenn man ihn unterhakt und in den Garten führt oder zurück-holt. Die meiste Zeit verbringt er im Freien. Er ruht auf dem ihm aus Kissen und Decken bereiteten Lager. Dann wieder geht er stundenlang am Arm eines Pflegers spa-zieren, die Augen starr auf den Boden oder in die Ferne gerichtet.
    De la Vigne verbringt einen großen Teil seiner Freizeit bei dem Fremden. Nicht allein, weil der Vetter darum gebeten hat, sondern weil ihn dieser absonderliche Krankheitsfall stark aufwühlt. Kann denn nicht irgendwie Hilfe gebracht werden?
    Einer der wenigen Freunde, die der junge Angestellte in La Calle gefunden hat, Gustave Marivaux, kommt ihn besuchen, lädt für einen der nächsten Tage zu einer kleinen Familienfeier ein. Der siebente Hochzeitstag, eine glückliche Zahl, die einer Feier würdig ist – der Freund wird verstehen. Der unverheiratete Roger de la Vigne versteht zwar nicht, aber er freut sich, daß das Einerlei –
    dazu rechnet er auch das gelegentliche Zusammensein mit den Kollegen in einer der rauchigen Kneipen des Hafens – auf so nette Weise eine Abwechslung erfährt.
    Gustave ist nicht allein. Sein Bub Claude, ein süßer kleiner Kerl von sechs Jahren, begleitet ihn.
    Man sitzt im Garten, plaudert. Ab und zu wirft de la Vigne einen Blick auf den abseits hinter Büschen ruhen-den Kranken.
    Das Kind kann mit dem Gespräch der Männer nichts anfangen. Es ist langweilig.
    Ein Vogel pickt im Sand. Schön. Das Kind steht auf, ganz leise, geht langsam auf das Tier zu. Ach, da fliegt es fort, verschwindet hinter den Büschen. Ob es sich dort wieder hingesetzt hat? Mal nachsehen.
    Aber da ist ja ein Mensch. Claude mustert den Fremden aus der Ferne. Ganz unbeweglich liegt der Mann. Ob er schläft? Doch nein, die Augen sind geöffnet, nur blickt er nicht her. Behutsam geht Claude näher, hockt sich nieder. Wartet. Winkt. Nichts. Die Augen des Mannes sind starr geradeaus gerichtet. Das ist unheimlich. Der Junge erschrickt – dann rennt er zurück.
    »Ja, Claude, der Onkel ist krank. Schon viele, viele Wochen lang«, erklärt Roger. Und zu seinem Freund gewendet: »Es ist der Schiffbrüchige, von dem ich dir erzählte.«
    »Noch immer keine Besserung?«
    »Leider nein.«
    Bald danach verabschiedet sich der Besuch. -
    Das kleine Jubiläum wird zu einem ganz intimen Fest.
    Viel wird an diesem schönen Abend über das Glück der Familie gesprochen. Claude, das Kind, ist

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