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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
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gebaut: Constantine, das einst das Cirta der Römer war, heute Site des türkischen Beys der Provinz, der in seiner Kasbah unangreifbar ist.
    In sechzig Meter Höhe spannt sich eine alte Römer-brücke über den Rhummelfluß, zu dem in brausenden Sprüngen Wasserfälle hinabstürzen. An einem der Brük-kenpfeiler zeigt der Franzose auf das eingegrabene Bild eines Elefanten. Vor Jahrhunderten gab es also auch hier diese Kolosse.
    »Weiter!« drängt Pierre-Charles, nachdem Luigi den letzten Strich an der phantastischen Skizze dieser Ur-waldlandschaft gemacht hat.
    Ja, nur weiter, heraus aus den gigantischen Felsen-massen, die den Fluß an einer Stelle zusammenpressen, daß er sich fast überschlägt.
    Nach Süden geht es, obwohl Medea im Westen liegt.
    Über Ebenen, die wieder Afrika sind, dann hinein in den Sahara-Atlas.
    Aus Schutt- und Sandmassen ragen zwei Säulen. Auch sie sind aus der Römerzeit. Und da und dort, über den ganzen Grund verstreut, weitere Trümmerreste. Hier muß einmal eine große Siedlung des alten Weltreichs gestanden haben.
    »Timgad«, beantwortet de Vermont den fragenden Blick Parvisis. »Alte Kolonialstadt unter Kaiser Trajan (53-117 u. Z.). Ich habe an verschiedenen Stellen zu graben versucht und bin überall auf Trümmer gestoßen.
    Ein gewaltiges Ruinenfeld also.«
    Tagelang bleibt der Franzose in Timgad, damit Luigi die Reste einstiger Pracht und Größe skizzieren kann.
    Parvisi tut es gern; seine Zeichnungen werden vielleicht später einmal dem Werk des Freundes letzte Überzeu-gungskraft verleihen.
    Wo immer die Reisenden ihre Tiere hinlenken, sie sto-
    ßen auf Spuren Roms: Brückenreste, Wasserleitungen, Theater, Thermen, Siedlungen.
    Einst zählte Nordafrika zu den blühendsten Kolonien, zu einer der Kornkammern Roms. Dreihundert Jahre nach Trajan stand Nordafrika wieder im Mittelpunkt der Welt. Hier wirkte als Bischof von Hippo, dem heutigen Bona, der große Philosoph der christlichen Religion: Augustin. Die Glaubensstreiter des Islams haben dann letzte kärgliche Früchte, die von den Zeiten Roms her über die Stürme der Vandalen hinweg noch übriggeblieben waren, gepflückt und vernichtet, bis die türkischen Korsaren ihre blutigen Hände auf Algerien legten.
    Was will de Vermont so weit abseits des eigentlichen Reiseziels? Ob er den Zweck der Reise vergessen hat?
    Wenn man nur erkennen könnte, was damit erreicht werden soll! Daß Pierre-Charles neben der Suche nach dem Kind und seinen wissenschaftlichen Studien noch einen weiteren Zweck mit der Durchstreifung des Landes verfolgt, daran ist fast nicht zu zweifeln. Aber welchen?
    Parvisi wagt jedoch nicht, zu fragen und zu drängen. Der erfahrene Mann wird seine Gründe haben.
    In jedem Dorf, jedem Zelt, an Rastplätzen und Feuern werden die Freunde, sobald der Name El-Fransi genannt wird, freudig willkommen geheißen. Niemand weiß zwar Genaues über die Nationalität des Jägers, viele machen sich sicherlich auch keine Gedanken darüber. El-Fransi, obwohl ein Fremder, ist doch einer wie sie, Mohammedaner, der mit ihnen betet und fastet, wie es vor-geschrieben ist, und eben der Freund. De Vermont kennt die Sitten und Gebräuche, die Denkart der Kabylen, Berber, Araber und Mauren so genau, daß er nie gegen sie verstößt, also keinerlei Anlaß bietet, sich Zweifeln und Fragen hinzugeben. Wie gesagt, er ist Freund mit allen, zaudert keinen Augenblick, sich einem Jagdzug gegen den Würger ihrer Herden, den Löwen oder Panther, anzuschließen und oft allein die Büchse gegen das Raubtier zu heben, weil die eingeborenen Jäger wie im Fieber schlottern. Die Angst macht so manchmal aus Jagenden Gejagte. Aber El-Fransi, der mutige, tapfere, treue, hat noch immer die Gefahr gebannt. Schade, daß dem einzelnen nur selten das Glück zuteil wird, ihn bei sich zu wissen. Zu viele warten auf seinen Besuch in der riesigen Regentschaft.
    Die gleiche freundliche Aufnahme wie El-Fransi selbst bereitet man auch seinem Begleiter Selim. Daß der Neger dem alten Glauben nicht mehr anhängt, weiß außer Pierre-Charles und Luigi niemand. Selim gibt sich weiterhin als Moslem. Die Freundschaft der beiden Männer reicht einige Jahre zurück. Damals hatte der Franzose den Neger angeschossen aufgefunden, ihn verbunden und gesund gepflegt. Seitdem – es war gleichzeitig Selims Befreiung aus den Fesseln der Sklaverei – weicht der dankbare Sudanese nicht von der Seite seines Retters. Nach La Calle freilich kommt er nie mit, aber de Vermont ist sicher,

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