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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
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küßt Luigi den Burnus für das segnend gesprochene »Allah sei mit euch!« und teilt Mehl und Datteln mit ihm.
    Zu dritt durchreiten sie eine tiefe Schlucht. Pierre-Charles spricht fast immer, erklärt die Bodenformen, die Gesteine, den Pflanzenwuchs, weist auf Tierfährten, kurzum auf alles hin, was; wichtig ist.
    Ein greller Ton pfeift an den Steilhängen entlang, springt von Fels zu Fels, löst vielfaches Echo aus. Der aufpeitschende Knall eines Schusses. Andere Geräusche, polternd, dumpf, rollen heran. Hufgetrappel.
    Die Männer zügeln die Pferde, wenden sich um; denn die Laute kommen von hinten. Drei Reiter nähern sich in jagendem Galopp den Reisenden. Hinter ihnen eine leichte Staubwolke. Und ganz am Ende des Einschnitts, klein noch, tauchen weitere Reiter auf. »Die Waffen bereithalten!« befiehlt de Vermont.
    Die Anweisung ist überflüssig. Selim hat seine Flinte bereits in der Hand. Auch Parvisi ist gerüstet. Er hat gelernt, immer sofort zu handeln.
    Der Franzose denkt nicht an Flucht. Er hat inzwischen durch das Glas gesehen, daß die Verfolgenden zu sechst sind. Da die Schlucht noch sehr lang und ein Ausbrechen zur Seite unmöglich ist, wäre es zwecklos, die ermüdeten Tiere zu einem Gewaltritt anzutreiben. Fliehende und Verfolger scheinen über ausgeruhte Pferde zu verfügen und würden die Freunde bald eingeholt haben.
    Jetzt haben die ersten Reiter die Wartenden erblickt.
    Sie reißen die Tiere auf die Hinterhand, greifen zu den Waffen. Ein Blick zurück. Die
    Gefahr ist noch nicht groß. Zwei der Männer springen ab, verbergen sich hinter Felsbrocken, die Läufe ihrer riesig langen Flinten auf die Verfolgenden gerichtet. Der dritte kommt langsam näher. Es ist ein Maure.
    »Wer seid ihr?« fragt er herrisch, ohne zu grüßen. Pierre-Charles betrachtet ihn schnell. Harte Züge, stechende Augen. Kein guter Eindruck.
    »Komm näher!« fordert er ihn auf und senkt die Waffe.
    Zögernd reitet dieser heran, grüßt endlich mürrisch. Zugleich stellt er seine Frage neu.
    »Du bist zu mir gekommen. Hast du nicht die ersten Regeln der Höflichkeit gelernt, die gebieten, Fremden deinen Namen zu nennen?« weist ihn de Vermont zurecht.
    »Ich heiße Abbas ben Ibrahim. Und du?«
    »Sei mir willkommen. Man nennt mich El-Fransi.«
    »El-Fransi? Allah sei Lob und Dank. Wir sind gerettet.
    Du wirst uns gegen die Männer beistehen, die uns verfolgen.«
    Parvisi ist überrascht, daß auch dieser Fremde beim Hören des einheimischen Namens des Freundes sofort Forderungen stellt.
    »Was hast du ihnen getan, daß sie dir feindlich sind?«
    fragt Pierre-Charles, der über den Mann belustigt ist.
    »Nichts, El-Fransi, nichts! Ich schwöre es beim Barte des Propheten. Ich bin Händler, wollte Pferde für den Bey von Titterie kaufen. Das Geschäft war fast abgeschlossen – die Hunde von Berbern haben lange ge-feilscht und mir am Ende einen Preis abgerungen, den ich nicht geben wollte –, als Fremde hinzutraten, Gäste des Dorfes, und die Verkäufer aufforderten, keine Tiere zu verkaufen, da der Bey sicherlich einen Kriegszug gegen sie zu unternehmen beabsichtige. Die Burschen waren klug, sie verstanden, ihre Gründe so laut und zwingend vorzubringen, daß man gegen uns tätlich zu werden drohte. Wir hatten unsere Pferde bei uns, die anderen die ihren nicht. So gelang die Flucht. Wenn du wirklich El-Fransi bist, und ich zweifle nicht daran, denn kein anderer hätte so mutig gewartet, so hilf uns. Leg deine Büchse an und schieß die Hunde nieder.«
    »Du stehst in Diensten des Beys?«
    »Ja, Herr!« Während der letzten Worte des Mauren waren seine beiden Begleiter
    herangekommen. Die Verfolger hatten sich beträchtlich genähert, so daß es die beiden doch, trotz ihrer überlegenen Stellung hinter den Steinen, für richtig hielten, sich auf die Hauptstreitmacht zu stützen. Wenn die Fremden auf ihre Seite träten, stünde es sechs zu sechs.
    De Vermont kehrt sich nicht an die Stärke der Parteien.
    Man befindet sich in einer dummen Lage. Ob die Erzählung des Mauren stimmt – seine übermäßigen Beteue-rungen mahnen zur Vorsicht –, kann man im Augenblick nicht nachprüfen. Er hat El-Fransi um Schutz und Hilfe gebeten. El-Fransi ist immer bereit, helfend und schützend einzugreifen. Und hier? Er wird versuchen die Sache gütlich beizulegen. Die Verfolger so einfach über den Haufen zu schießen, wie es der Händler forderte, wäre Wahnsinn. Andererseits dürfte es gut sein, wenn man sich einen Menschen aus der

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