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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
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irrst, El-Fransi, davon sagte ich nichts.«
    »Nicht?«
    »Nein, da ich es nicht weiß. Es ist unbekannt, zu wem das Kind gegeben worden ist.«
    »Wann war es?« forscht El-Fransi, sich ganz unbeteiligt gebend, weiter. Abbas muß meinen, der Jäger mache ihm nur die Freude einer Unterhaltung.
    »Wann?« Des Mauren Augen glänzen. Die Frage ist ihm lieb; denn er kann sie genau, auf Tag und Stunde genau beantworten. »Oh, ich erinnere mich. Ich kaufte am gleichen Tag ein Pferd. Laß sehen – vierzehn Wochen sind es, volle vierzehn Wochen; denn heute ist der Tag, an dem vor dieser Zeit nach dem Morgengebet das Kind das Haus verließ, in das man es zur Erziehung gegeben hatte.«
    Pierre-Charles gähnt laut. »Ach, ist alles unwichtig.
    Was geht uns das Kind an? Ich glaube, wir werden uns doch lieber etwas aufs Ohr legen und versuchen zu schlafen. Selim wird, um seine Dummheit vergessen zu lassen, wachen.«
    »Ja, Herr.« Der Neger verzieht keine Miene. Er kennt den Freund zu gut, um nicht zu wissen, daß die Un-freundlichkeit des Franzosen nur dazu dienen soll, die Mauren zu überwachen und sie gleichzeitig bei dem Glauben zu lassen, daß der Zwischenruf nichts mit Luigis »Wohin?« zu tun hatte.
    Parvisi wälzt sich schlaflos auf seinem Lager. Gedanken peinigen ihn. Das Kind war also, wie es Pierre-Charles in Algier erfahren hatte, in Medea gewesen. Die Spur stimmte und ist nun zerronnen, verweht.
    Der stöhnende Vater wirft mit einem Ruck die Decke von sich. Er kann nicht mehr liegenbleiben, stilliegen, untätig sein, ewig warten, Stunde um Stunde – es ist furchtbar, unerträglich.
    Selim hat die Unruhe des Freundes schon lange beobachtet. Jetzt begibt er sich auf einen neuen Kontroll-gang um das Lager, tritt dabei zu Luigi und weist nur stumm auf die Mauren, die fest schlafen. Die aufregenden Stunden bis zur Unschädlichmachung des Panthers haben viel Kräfte dieser Helden benötigt, die nun durch recht langen und tiefen Schlaf erneuert werden müssen.
    De Vermont versucht anderntags nochmals sein Glück bei Abbas. Der Maure vermag aber nicht anzugeben, wohin das Kind geschafft worden ist.
    Die Ungewißheit hat ihre dunklen Schleier wieder um den Sohn Parvisis geschlungen.
    Diese bittere Erkenntnis lähmt die Tatkraft der Freunde vorübergehend. Und dann stellt sich ein noch viel schwerwiegenderes Hindernis weiterem Suchen in den Weg: El-Fransis Gesundheit ist erschüttert. Seit Jahren hat der Franzose bei Wind und Wetter die Regentschaft durchstreift. Noch nie zeigte es sich, daß auch dieser stählerne Körper einmal den Gefahren der Natur Tribut werde zahlen müssen. Kurze Aufenthalte in Marseille, zu kurz, konnten nicht ausgleichen, was in Keimen schon in de Vermont schlummerte.
    Zurück nach La Calle! Schnellstens!
    Vierzehn Wochen hatte Abbas ben Ibrahim angegeben, seitdem das Kind an einen anderen Ort gebracht worden war. Diese Zeitangabe beschäftigte Parvisi außerordentlich. Aber nicht nur ihn, sondern in gleicher Weise auch den Franzosen. Vor sechzehn Wochen war er in Algier gewesen und hatte Erkundigungen eingezogen. Wenig später trat eine Änderung im Leben des Jungen ein. Es ist für El-Fransi klar, daß eins das andere ausgelöst hat.
    Daß es sich bei dem von dem Mauren erwähnten Kind um Livio Parvisi handelt, daran zweifeln die Freunde nicht. Zwei gleiche Fälle mit so überraschenden Begleit-umständen? Wenn man auch dem Zufall große Regiefä-
    higkeiten zusprechen muß, hier wäre es zuviel.
    Etwas kann man vielleicht aus dem gegenwärtigen Mißerfolg als beruhigend herauslesen: Wenn die Geschichte des Mauren stimmt, besteht keine unmittelbare Lebensgefahr für Livio. Man will den Christen zum Mohammedaner umformen, beabsichtigt demnach nicht, ihn eines Tages als Sklave an die Kette zu legen. Und zu einer zweiten Vermutung kommen die Freunde: Livios Schicksal wird von Algier aus gelenkt und geleitet.
    Wo nun in der riesigen Regentschaft neue Spuren suchen? Und besteht dann etwa wieder die Gefahr, daß eine unsichtbare Hand in der letzten Minute den Sohn

    dem Zugriff des Vaters entzieht?

    OMAR
    Das ist ein Geplapper und ein Geplärr von Kinderstim-men. Eine arabische Schule im Freien. Zwanzig Kinder verschiedenen Alters sind es, die im Halbkreis um den Lehrer sitzen. Der alte schläfrige Marabut schlägt den Takt. Es genügt ihm, wenn die Buben die Gebete, den Grundstein für alles Wissen, wortwörtlich herunterleiern können.
    Gut, gut. Es hat geklappt, alle sind gleichzeitig fertig

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