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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
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geworden. Nur eine Stimme vermißte der Lehrer im Chor, eine, die immer auffällt, unmöglich überhört werden kann. Jetzt war sie wieder nicht dabei. Ob der…?
    Aber das ist Unsinn, Vergangenheit.
    »Omar, wiederhole allein!« fordert er plötzlich den kleinen, verängstigt scheinenden Jungen am Ende der ersten Reihe auf.
    Der Angerufene zuckt wie unter einem Peitschenhieb zusammen, möchte sich in den Erdboden verkriechen.
    Wenn nur die sonst immer müden und verschleierten Augen Marabuts nicht so hart und durchdringend blick-ten!
    Das Kind zittert. Es versucht dem Befehl zu folgen, aber je mehr es sich anstrengt, um so ängstlicher wird es.
    Nur ein verwirrtes Stammeln, aus dem lediglich die Worte »Allah« und »Mohammed« zu verstehen sind, kommt aus seinem Mund.
    Die Mitschüler brechen in lautes Lachen aus, das zum Freudengeheul wird, als der Lehrer zum Stock greift und neben Omar tritt.
    Das ist das Ende. Der Kleine bringt nun kein einziges Wort mehr heraus. Wie ein weidwundes Tier blickt er zu dem Meister auf.
    »Von Anfang an, Omar!« Da ist die gehaßte Stimme wieder, die Stimme, die Furcht und Schrecken verbreitet.
    Flucht ist unmöglich, Befreiung aus der Not vermögen nur Wissen und Können zu bringen, über das der Kleine nicht verfügt.
    Nicht einmal der Hilferuf zu Allah gelingt. Ein Stottern nur wird es, klein, wüst und erbärmlich.
    Der Marabut schäumt. »Du wagst es, Allah – sein Na-me sei gelobt – mit solchem Gewinsel zu schmähen! Da nimm, du Hund!« Der Stock saust auf das Kerlchen herab, das die Hiebe mit den Händen abwehren will. Es nützt nichts. Omar ist der Unmenschlichkeit des alten Eiferers ausgeliefert.

    Für jetzt mag es genügen. Der furchtbare Mann streift das Häuflein Mensch mit einem höhnischen Lächeln, dann geht er zu seinem Platz im Schatten der Palme zu-rück.
    »Ich schlage dich noch tot, wenn du nicht besser lernst!« droht er hinüber. »Jetzt wiederhole; nimm dich zusammen.«
    Die Qual ist also nicht beendet.
    Omar rollen noch immer Tränen über die Wangen, er muß schlucken und ist unfähig, auch nur einen verständlichen Laut von sich zu geben.
    »Wiederhole!« Das ist Donnergrollen. »Wiederhole!«
    Jetzt brüllt der Lehrer in solcher Wut, daß auch die Kameraden des kleinen Omar ängstlich werden.
    Hinter dem Unglücklichen sitzen seine zwei Freunde, die einzigen, die er im Dorf hat. Sind es überhaupt Freunde? Omar hat mit keinem von ihnen je ein Wort gesprochen. Aber sie beteiligen sich nicht an den Hänse-leien, denen der Junge stündlich von den anderen Kindern ausgesetzt ist. Gern möchte er mit ihnen spielen oder wenigstens in ihrer Nähe geduldet werden, aber er getraut sich nicht, dazuzutreten, wenn sie zusammenste-hen. So sitzt er die meiste Zeit still in einem versteckten Winkel und brütet vor sich hin. Er kann sich nirgends blicken lassen, wenn er sich nicht der Gefahr aussetzen will, mit Steinen oder sonst einem gerade greifbaren Gegenstand heimlich beworfen zu werden. Nur auf dem Weg zur Schule beachtet man ihn nicht. Während dieser Zeit bleibt er unbelästigt.
    Der eine hinter ihm ist ein kleiner Neger mit Namen Achmed, der andere heißt Ali und ist ein Berber.
    Der schwarze Mitschüler rutscht jetzt etwas zur Seite, so daß er, durch Omars Rücken gedeckt, vom Lehrer nicht gesehen werden kann. Dann legt er die Hände über dem Mund an die Wangen. Vor dem Mund bleibt ein Schalloch offen.
    »Allah il Allah we Mohammed rassul Allah…«, murmelt er. »Allah il Allah…«
    Das ist Omars Stimme. Kein Zweifel ist möglich. So fremd, weich wie dieser Junge spricht niemand weiter im Land. Aber das schadet nichts, Hauptsache ist, daß das Gebet fehlerfrei aufgesagt wird.
    »Siehst du, es geht. Hüte dich in Zukunft, meinen Zorn zu erregen. Du müßtest es bitter bereuen! Ich dulde nicht, daß du Allah beleidigst! – Aus für heute!«
    Auch die guten Schüler atmen auf, daß sie bis morgen frei sind, sogar bis übermorgen, denn freitags – als mo-hammedanischem Sonntag – ist kein Unterricht. Freilich, sie haben alle nicht so zu leiden wie der kleine Fremdling, aber auch sie müssen immer auf der Hut sein. Der Lehrer springt mit ihnen ebenfalls ganz nach seinem Gutdünken um. Er genießt den Ruf, ein frommer und gelehrter Mann zu sein, gegen den niemand, auch das Dorfoberhaupt nicht, aufzubegehren wagt.
    Fort stürmt die glückliche Meute. In ihrer Mitte Achmed und Ali. Omar schleicht mit eingezogenem Kopf, schlaff herabhängenden Armen

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