Unter Korsaren verschollen
Königin der Meere, England. Die Piratenschiffe des Deys schwächten die Mittelmeermächte Spanien, Sardinien, Sizilien und die verschiedenen italienischen Staaten, so daß eben die englische Macht es nicht zu tun brauchte. Man ließ, nach bewährtem Muster, andere die Kastanien aus dem Feuer holen.
Der Admiral Lord Exmouth wurde ins Mittelmeer gesandt. Zu seiner Aufgabe gehörte auch, wegen der Abschaffung der Sklaverei zu unterhandeln.
Omar Pascha war bereit, die Ionischen Inseln als englischen Besitz anzuerkennen. Auch wollte er alle sardinischen und genuesischen Gefangenen freigeben. Fünfhundert Piaster je Kopf wurden ausgemacht. Nicht ganz so billig tat er es bei den Sklaven, die er von neapolitani-schen Schiffen geraubt hatte. Dafür mußten eintausend Piaster je Person gezahlt werden.
Eins aber lehnte er grundweg ab: die Abschaffung des Sklavenhandels.
Lord Exmouth segelte nach Tunis und Tripolis. Hier gingen die Geschäfte glatt: Die Paschas verzichteten auf den Sklavenhandel.
Wohlgemut ließ Seine Lordschaft auf den fünf Linien-schiffen, sieben Fregatten, vier Transportern und etli-chen Kanonierschaluppen Segel setzen und Kurs zurück auf Algier nehmen. Der Dey würde nun nicht anders können, als ebenfalls den gemachten Vorschlägen zuzustimmen, so rechnete der Admiral.
Aber die Rechnung war ohne den Wirt gemacht. Omar Pascha ist ein starrer Kopf, furchtlos, gerissen, mit allen Wassern der Diplomatie gewaschen.
Wie gerne, verehrter Lord und Admiral, Gesandter des mächtigsten Herrschers der Erde – nach mir, versteht sich! –, aber ich kann nicht. Wirklich nicht. Sieh, ich bin nur ein kleiner Untergebener der Hohen Pforte in Konstantinopel – sie kann mir gestohlen bleiben! –, der ohne Erlaubnis nichts versprechen darf.
Und so weiter und so fort.
Es ist nichts mit der Abschaffung der Sklaverei, das hört der ehrenwerte Lord aus den gewundenen Worten des Deys heraus.
Man bietet eine englische Fregatte zur Beförderung eines bevollmächtigten Vertreters des Deys zur Fahrt nach Konstantinopel an. Omar Pascha lehnt dankend ab.
Gut. Drei Monate bekommt der Herrscher Algiers Zeit, die Sache zu klären.
So wichtig ist die Abschaffung der Sklaverei für England nun auch wieder nicht. Lord Exmouths Flotte verschwindet. Der Fall ist erledigt, zu den Akten gelegt.
Die Korsaren treiben ihr Unwesen ungeschwächt weiter. -
Der 20. Mai 1816 ist ein herrlicher Sonnentag, so recht geeignet, um Gott dafür zu danken.
Zweihundert Korallenfischer, Franzosen, Engländer und Spanier, strömen in Bona zur Kirche. Wie die Natur in Sonne gebadet dem Schöpfer dankt, so sind auch die Herzen der Menschen voll des Jubels und der Freude.
Wie schön ist doch das Leben in diesem Gold, zu dem das Meer und der Himmel ein wunderbares, sattes Blau geben!
Manche der Männer verharren noch in Andacht am Strand, um die Wogen heranrollen zu sehen, deren Schaumkämme von Silber sein müssen, so glitzert und gleißt es. Männer, die mit dem Meer verknüpft sind, es in seinen berauschenden und düsteren Farben, sanft und wütend kennen, sie können sich heute, am 20. Mai 1816, nicht satt an dieser Schönheit sehen.
Etwas von ihr bringen sie mit hinein in die Kühle des Gotteshauses, so daß in ihren Stimmen beim Lobpreis des allmächtigen Schöpfers gar nichts mehr von dem knarrenden Ton, den das Salzwasser ihnen verliehen hat, zu spüren ist. Andächtig lauschen sie den Worten des Predigers, denken immer daran, daß das Leben doch das schönste Geschenk ist, das ihnen gegeben wurde.
Sie sind noch ganz versunken in die Predigt und ihre Hochstimmung, merken erst, als es zu spät ist, daß Korsaren ihrer Lebensbahn ein Halt Zurufen. Blut fließt auf den Boden der Kirche von Bona.
Zweihundert Korallenfischer sind nicht mehr.
Der Dey von Algier hat die Oberherrschaft Englands über die Ionischen Inseln anerkannt. Lobenswert, höchst lobens- und dankenswert. Die paar Menschen, die seine Korsaren in Bona umgebracht haben, wird man darüber vergessen.
Irrtum, Omar Pascha!
Europa ist erwacht. Das Maß ist voll.
Auf der »Queen Charlotte«, einem Linienschiff mit ein-hundertzehn Kanonen, im Topp die Admiralsflagge, segelt Lord Exmouth wieder nach Algier. Er hat sich mit der holländischen Flotte des Vizeadmirals van der Ka-pellen vereinigt. Zehn Linienschiffe, mehrere Fregatten, Korvetten, Kanonierschaluppen und Brander haben Kurs auf das Seeräubernest genommen.
Ganz Algier ist auf den Beinen, als die Schiffe in die Bucht
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