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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
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Ende zu denken. Er zwingt sich, nicht das Bild seines Jungen zu sehen. Nein, nein. Keine Hoffnung aufkommen lassen, daß der schwarze Freund Nachricht von Livio bringen könnte.
    »El-Fransi! Komm!« Selim ruft es noch im Laufen.
    Etwas ganz Wichtiges, Ungewöhnliches muß geschehen sein.
    Livio! Jetzt kann sich Parvisi nicht mehr bezähmen.
    Nur mit dem Jungen kann zusammenhängen, was Selim so in Aufregung versetzt hat.
    Die letzten weitausgreifenden Sätze, dann stehen sich die Freunde gegenüber.
    »Komm schnell!« Mehr sagt der Neger nicht. Der Blick auf die mit offenen Mündern dastehenden Kinder zeigt, daß die Nachricht nicht für sie bestimmt ist.
    »Ich habe jetzt keine Zeit mehr für euch. Geht nach Hause«, wendet sich Luigi an seine jungen Zuhörer.
    »Ach nein, El-Fransi, jetzt, wo es gerade so spannend ist; wir bleiben.« Die Meute macht keine Anstalten, sich zu entfernen.
    In Französisch mit Selim sprechen? Parvisi verwirft diesen Gedanken sofort wieder. Die älteren Jungen könnten im Dorf berichten, daß El-Fransi in einer ihnen unverständlichen Sprache gesprochen habe. Warum tat er es? Der Argwohn und das Mißtrauen sind bei den Menschen uneingestanden auch El-Fransi gegenüber wach. Sie könnten verderbliche Schlüsse daraus ziehen.
    Minuten verstreichen. Kostbare Minuten, furchtbare Minuten. Wenn man nur wüßte, was Selim zu berichten hat! Wie sind die Kinder zu entfernen? Mit Bitten und Befehlen ist nichts zu erreichen, das sieht Luigi ein.
    Aber sie müssen weg; denn sie werden es nicht zulassen, daß er sich mit Selim abseits unterhält. El-Fransi ist unser Freund, er muß uns ganz gehören; alles, was ihn angeht, geht auch uns an.
    »Hört einmal her!« fordert er seine Quälgeister auf.
    »Ich habe im Augenblick keine Zeit mehr für euch, aber ich verspreche euch, die Geschichte im Dorf zu Ende zu erzählen. Je schneller wir dort sind, um so eher kommt ihr dazu. Was meint ihr zu einem Wettlauf?«
    »Ach, du hast ja viel längere Beine als wir«, gibt ein kleiner sechsjähriger Junge zu bedenken.
    »Das werden wir natürlich berücksichtigen. Aufgepaßt: die Kleinsten hierher. – So. – Nein, du nicht mit. Dorthin, zu den Größeren gehörst du. – Und nun noch die Großen. Zuerst laufen die Kleinen los. Wenn sie drüben bei der Palme sind, folgt die zweite Gruppe und endlich die dritte. Wir beide, Selim und ich, kommen zuletzt.
    Aber rennen müßt ihr; der erste jeder Gruppe bekommt ein Geschenk als Preis.«
    »Was für eins, El-Fransi? Sag uns erst, was es sein wird!«
    »Das verrate ich nicht.«
    »Oh!«
    »Genügt es denn nicht, daß euch El-Fransi etwas verspricht?«
    »Doch, doch. Natürlich.«
    »Ich zähle bis drei; dann rennen die ersten los. Eins –
    zwei – drei!« Beine fliegen. Jeder möchte der Sieger sein und des Jägers unbekannten Preis erringen.
    »Jetzt ihr!« Die Größeren haben sich schon in einer Reihe aufgestellt. Auf Parvisis »Los!« stieben auch sie davon.
    Immer noch eine Gruppe. Die Kinder mühen sich wirklich ab, und doch möchte der Italiener ihnen Flügel verleihen, damit er endlich mit dem Neger ungestört sprechen kann. Es ist soweit, das Warten zu Ende.
    »Erzähle, Selim!«
    »Der Dey ist gestürzt; die Herrschaft der Türken beseitigt. Die Sklaven sind freigelassen!«
    »Selim, Selim! Ist das wahr? Mann, Freund, spiele nicht mit mir!« Er hat den Begleiter an der Schulter gepackt. Seine Finger pressen sich wie Eisenklammern in dessen Fleisch.
    »Soeben haben Fremde die Botschaft ins Dorf gebracht.
    Eine europäische Flotte hat Algier beschossen. Die Stadt ist vollkommen zerstört. Es wird nie wieder Sklaverei geben, Luigi!«
    »Und die Sklaven sind frei?«
    »Ja.«
    »Dann ist auch Livio frei. Heilige Jungfrau! Ich danke dir. Unsere Suche ist zu Ende. Livio ist frei, mein Livio, mein Junge! Und Benedetto, Civone, und wer noch den Angriff überstanden hat, sind frei; alle, alle!
    Oh, ich bin glücklich, unsagbar glücklich. Nun kann ich in die Heimat zurückkehren, dieses höllische Land meiden, mit meinem Sohn leben!«
    »Ja. Du hast nichts mehr hier zu tun.«
    Was ist denn mit Selim? Warum freut er sich nicht; er, der keine Anstrengung, keine Mühe gescheut hat, das Kind zu finden? Es ist ja nun gefunden, vielleicht schon auf dem Weg nach Genua. Strahlt nicht sogar der Himmel in Freude, jauchzt nicht die Natur selbst über diesen Sieg, der die Korsaren vernichtet, die Geisel der Sklaverei von den Menschen genommen hat?
    Parvisi sieht alles in

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