Unter Korsaren verschollen
Gefecht. Neben ihm steht der Kapitän der »Queen Charlotte«. Eine Kugel fegt Kapitän Brisbane zu Boden. Der Admiral hat nur einen flüchtigen Blick für den alten Kampfgefährten, dann winkt er einen jungen Offizier heran. »Leutnant, übernehmen Sie das Kommando! – Armer Brisbane!«
Der über und über rot gewordene Offizier grüßt, will wegtreten. Da springt der vermeintliche Tote auf. »Noch nicht, Mylord, noch nicht! Der alte Brisbane wird von keiner Korsarenkugel getötet.«
Der Seebär steht zwar noch nicht wieder so richtig auf den Füßen nach der Betäubung, aber seine Befehle sind wie immer: kurz, scharf, treffend.
Wenige Augenblicke später wird der Admiral zweifach verwundet.
Trotz der großen Breschen, die die Kugeln des vereinigten Geschwaders in die Befestigungen Algiers geschlagen haben, trotz der riesigen Verluste, die die Stadt an Häusern und Menschen in diesem mörderischen Kampf mit zweitausend Kanonen erleidet, denkt der Dey nicht daran, ein versöhnendes Wort zu sprechen.
Auch dann noch nicht, als seine Flotte in Flammen aufgeht.
Zwei britische Offiziere hatten den Admiral um Erlaubnis gebeten, ein geschwefeltes Tuch an die die Ha-feneinfahrt sperrende algerische Fregatte heften zu dürfen. Die Möglichkeit, von diesem wahnwitzigen Unternehmen heil zurückzukehren, war wie eins zu neunundneunzig.
Der Lord nickte Gewährung.
Später züngelten die Flammen an der Fregatte empor, erfaßten die Segel, die Pulverkammer flog in die Luft.
Das brennende Schiff trieb auf die anderen zu, riß sie mit in den Feuertaumel. Fünf Fregatten, vier Korvetten und dreißig Kanonierschaluppen verlor der Dey, alles, was sich von seiner schwimmenden Macht im Hafen befand.
Die Nacht ist hereingebrochen. Über Algier ziehen Feu-erschlangen hin. Überall blitzt es auf. Vom Wasser her, von der Stadt zum Wasser hin. Noch immer tobt der Kampf in ungebrochener Wucht.
Es ist halb elf Uhr nachts. Die »Queen Charlotte« hat schwere Treffer erhalten, ist aber noch seetüchtig. Das Deck des Admiralsschiffes ist übersät mit Toten. Da treibt eine der brennenden algerischen Fregatten auf sie zu.
»Brisbane!«
Der Ruf des Admirals ist überflüssig. Der Kapitän hat die Gefahr ebenfalls erkannt, nur nicht gewagt, Befehl zum Rückzug zu geben. »Mylord?«
»Befehl an die vereinigte Flotte: Rückzug auf die Ree-de!«
Leuchtsignale steigen von der »Queen Charlotte« auf.
Der herrschende Landwind ist den Schiffen günstig. Al-le sind schwer beschädigt.
In der Stadt sieht es furchtbar aus. Riesige schwelende, qualmende Lücken überall, ganze Straßen, die Magazine, die Hälfte der Festungswerke zerstört. Die Mehrzahl der Geschütze ist außer Gefecht gesetzt. Die besten Krieger des Deys sind zur Ehre Allahs in das Paradies gegangen. Die Stadt brennt an allen Ecken und Enden.
Aber Omar Pascha und seine Türken bitten nicht um einen Waffenstillstand.
In dieser Nacht werden die Schäden auf den Schiffen des Lords notdürftig ausgebessert.
Ein neuer Tag bricht an.
Um den Dey ist der Diwan versammelt. Kein Wort von Unterwerfung, nur von neuem Kampf wird gesprochen.
Man ist nicht geschlagen, nicht besiegt. Bei den Reserven, über die Algier verfügt, wäre es Frevel, sich in die Hand der Christen zu geben. »Ein Bote des Engländers!«
wird dem Dey gemeldet.
Eine Handbewegung Omar Paschas. Soll eintreten.
Der große Herr verschmäht es, das Schreiben des Admirals in die Hand zu nehmen. Man muß es ihm vorle-sen.
Wie die Götzen sitzen die Minister: stumm der Bach-Aga, der Kriegsminister; stumm der Vekil-Hardj, der Marineminister; stumm der Beit-el-mal, der Oberrichter und Justizminister; stumm der Khodgia, der ein Geheimer Rat ist; stumm der Gelehrte Mustapha, der die Augen geschlossen hat. Er denkt scharf nach. Stumm die anderen in der Runde. Die Botschaft des Lords berührt sie nicht, wenigstens künden ihre Mienen nichts an, was darauf schließen läßt, daß sie sich fürchten.
Das Schreiben ist nicht lang, dafür aber von einer wohl-tuenden Klarheit:
»Zum Lohne für Ihre Grausamkeit in Bona gegen wehr-lose Christen und Ihre höhnische Verachtung der von England gemachten Propositionen hat Sie meine Flotte nachdrücklich gezüchtigt. –
Ich benachrichtige Sie, daß ich in zwei Stunden mit dem Beschuß fortfahre, wenn Sie nicht die Bedingungen annehmen, die Sie gestern ausgeschlagen haben.«
»Es ist gut.« Der Bote kann abtreten.
Mustapha schläft noch immer, so scheint es. Während die
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