Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
Vom Netzwerk:
anderen sich groß aufspielen, nichts von Verhandlungen wissen wollen, hat er alle Möglichkeiten, die sich ergeben könnten, durchdacht. Die Bedingungen der Engländer sind mehr als maßvoll.
    Omar Pascha ist nicht gewillt, Zugeständnisse zu machen. Der Herr des Mittelmeers, und wer anders ist dieser Herr als der Dey von Algier, soll sich einem Christen beugen? Niemals! Mag es von vorn beginnen. Allah wird mit uns sein!
    Die Minister bestärken den Herrscher darin.
    Mustapha schweigt. Jetzt würden seine stichhaltigen Gründe von der Kriegslust der anderen zu Boden geschrien, aber die Stunde wird kommen, da man seinen Rat sucht.
    In der Stadt ist die Botschaft Lord Exmouths bekanntgeworden. Der Dey weigert sich, auf die Bedingungen Englands einzugehen. Die Einwohner aber fürchten den Fortgang des Beschusses. Sie haben zehn Stunden die Hölle um sich gehabt, Haus, Gut, Familienangehörige verloren. Soll es noch weitergehen, vielleicht auch das eigene Leben eingebüßt werden? Nein!
    Das Volk zwingt den Dey, die Bedingungen der Christen anzunehmen.
    »Verd…!« Mustapha unterdrückt den Fluch. »Das Volk ist stärker als der Stärkste auf dem Thron.«
    Einundzwanzig Kanonenschüsse rollen über Algier.
    Die verängstigten Bewohner des Raubnestes wissen, daß Frieden geschlossen wurde.
    Das waren die Bedingungen Lord Exmouths, denen der Dey zustimmte:
    Art. I. Auf immer die Abschaffung der Christensklaven.
    Art. II. Die Freilassung aller Sklaven, die gegenwärtig unter der Botmäßigkeit des Deys stehen, zu welcher Nation sie immer gehören, und zwar soll dieser Artikel morgen zu Mittag im Angesichte meiner Flagge vollzogen werden.
    Art. III. Rückzahlung, und zwar morgen mittag im Angesichte meiner Flagge, aller vom Dey für die Auslösung der Gefangenen, vom Anfange dieses Jahres an, emp-fangenen Lösegelder. Art. IV. Dem englischen Konsul ist für allen Schaden, den ihm seine
    Verhaftung verursacht hat, ein Ersatz bewilligt worden.
    Art. V. Der Dey hat sich, in Gegenwart seiner Minister und Offiziere, gegen den Konsul in Ausdrücken, die der Kapitän von der »Queen Charlotte« vorgesagt, entschuldigt.
    Selim erfährt diese Punkte nicht. Er nimmt an, daß die Herrschaft der Türken in Algier beseitigt ist. Damit muß auch der Sklaverei der tödliche Stoß versetzt sein.
    »Es ist alles gut, alles!« Wie viele Male hat er das nicht schon dem ungeduldigen Freund zugerufen und ihn mit sanfter Gewalt auf das Lager zurückgedrückt.
    Man kann noch nicht zur Küste aufbrechen. Die Wunde muß erst heilen, wenigstens so weit heilen, daß keine Gefahr mehr besteht.
    Der Neger versteht nicht, daß Luigi den beschwerlichen Weg durch die Berge am liebsten im Galopp zurückle-gen möchte. Denkt der Freund denn gar nicht daran, daß er ein Kranker mit einer schweren Schußwunde an der Schulter ist? Es spielt doch keine Rolle, ob man einen, zwei oder drei Tage eher in La Calle sein wird. Was nützt alle Eile, wenn dann Wochen vergehen, bis ein Schiff nach Europa in See sticht?
    Unterwegs werden Erkundigungen über den Verlauf des Gefechts eingezogen.
    Jawohl, alle Sklaven sind freigelassen. Der englische Admiral hat sie mit sich genommen. Viele, viele. »Auch Kinder?« fragt Parvisi.
    »Wir wissen nicht, ob sich Kinder in der Hand Omar Paschas befunden haben. Was mit dem Dey geschehen ist? Nichts.«
    Nichts?… Nichts? Der Dey sitzt noch auf dem Thron?
    Dann… Hinweg, niederziehende Gedanken!
    Wie Fieberschauer überfallen sie Parvisi. Er kann sich nicht dagegen wehren, ist ihnen ausgeliefert. Vielleicht alles nur Gerede, nur halbe Wahrheit? O Gott, unaus-denkbar dieser Sturz in den Abgrund der Verzweiflung nach solch hochfliegender Freude, solchem Glückstau-mel!
    Die Peitsche saust auf das arme Tier herab. Mit Riesen-sprüngen jagt es vorwärts, erschreckt und verstört durch dieses ungewöhnliche Verhalten des Reiters.
    Lauf, lauf!
    Es ist ein Ritt mit dem Tod im Sattel. Der Furcht, die Luigi befallen hat, kann er aber auch mit diesem Todes-ritt nicht entrinnen. Hinter jedem Strauch, jedem Felsen lugt sie höhnisch lächelnd hervor.
    Wenn der Dey nicht gestürzt ist, was ist dann mit Livio? Ungebrochen die Macht der türkischen Herrscher, der Sklavenhalter? Wer kann beschwören, daß alle Sklaven, alle, ohne Ausnahme, freigegeben sind?
    Zu weiteren Fragen ist keine Zeit mehr. Was wissen auch die Eingeborenen um die Vorfälle in Algier! In La Calle vielleicht, bei Roger de la Vigne, erfährt man Endgültiges.
    Tage noch bis

Weitere Kostenlose Bücher