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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
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zurechtsetzt, hat der Bankier Zeit, den Mann zu mustern. Er tut es verhalten, nicht so, wie er andere Menschen in diesem Raum abschätzt. Mit schnel-lem Blick hat er die wertvollen Ringe an den Fingern Antonellis gesehen. Der da trägt ein großes Vermögen an sich. Gravellis Züge hellen sich auf.
    Man muß den Fremden anders behandeln als gewöhnliche Geschäftspartner. Gut, daß man ihn nicht spöttisch und aufdringlich betrachtet hat. Wer weiß, welche Möglichkeiten sich hier anbahnen!
    »Ich bin in angenehmer Gesellschaft gereist, Herr Gravelli.«
    »Es freut mich um Ihretwillen, mein Herr!« Was soll das? Hier sitzt man nicht zu unnützen Plaudereien zusammen. Geld – Geschäfte sollen getätigt werden. Aber es gibt ja auch unter den ernsthaften Kaufleuten eigenartige Käuze. Manchmal sind es die, die am Ende zu den größten Abschlüssen bereit sind. Lassen wir also den Mann einmal plaudern.
    »Sehr liebenswürdig, Herr Bankier. Es war der andere große Kaufmann Genuas, Andrea Parvisi mit Gattin, der mir… «
    »Parvisi, der ist doch…!« Gravelli beißt sich auf die Lippen, daß alles Blut daraus entweicht. Verflucht, bin ich ein Kind! Meine Nerven lassen mich im Stich.
    »… tot! O nein, Herr Gravelli. Sie irren. Andrea Parvisi ist frisch und munter wie nie zuvor. Was wird dieser Mann jetzt für Geschäfte abschließen! Der Landaufent-halt, den Sie ihm verordnet haben, hat seine Kräfte sehr gestärkt.«
    »Ich, wieso ich? Was habe ich mit Parvisi zu tun?« Antonelli übergeht den Einwurf des Bankiers.
    »Ich bin beauftragt, zwei Beutel Gold in Empfang zu nehmen.«
    »Welche Beutel? Wer schickt Sie?«
    »Sie sind älter geworden, als Sie es nach Ihren Jahren sein dürften. Vergeßlich. Ein schlimmes Zeichen für einen Kaufmann, der sich die Märkte Europas dienstbar machen will.«
    Dieses Lächeln, diese verbindlichen Worte, die tötend sind! Der Mann wagt auszusprechen, was der Bankier seit langem fühlt, aber immer wieder vor sich geleugnet hat.
    Weiß wie eine Kalkwand ist Gravelli plötzlich. Das Herz schlägt rasend, die Hände zittern.
    Antonelli betrachtet gerade gelangweilt eine der kostbaren Vasen in der Ecke. Gravelli hat Zeit, sich zu erholen.
    Unvermittelt schreit er los: »Hüten Sie Ihre Zunge, Herr, oder ich lasse Sie hinauswerfen!«
    »Sie scherzen. Oder fühlen Sie sich dem ,Herrn der Berge’ gewachsen?«
    »Sie sind…?«
    »Ich nicht, Signore Gravelli. Der Herr der Berge hat keine Zeit, zu Ihnen zu kommen. Sein Bote bin ich. Die Angelegenheit Gravelli-Parvisi ist nicht so bedeutungsvoll, daß ihr besondere Aufmerksamkeit zu schenken wäre.«
    Parvisi, der allgemein Totgeglaubte, lebt. Der Herr der Berge fordert weitere zwei Beutel Gold. Für – nichts, für einen Verrat, den er an ihm, Gravelli, begangen hat.
    Soviel Geistesgegenwart behält der Finanzmann auch in diesem Augenblick, daß er erkennt, wieder einmal verspielt zu haben.
    Wortlos entnimmt er einem Geheimfach seines riesigen Schreibtisches zwei Beutel und schiebt sie widerwillig dem Fremden hin. Es dürfte angebracht sein, sich nicht mit dem Unheimlichen, dem Unbekannten, der sich so großspurig Herr der Berge nennt, in einen Kampf einzulassen. Dessen Hilfskräfte sind ungewöhnlich, so stellt er zähneknirschend beim Anblick seines Besuchers fest.
    Hoffentlich versiegeln diese zwei Beutel Gold nun die Lippen des Banditen.
    »Danke.« Und lächelnd setzt Signore Antonelli hinzu:
    »Ich habe mich noch eines anderen Auftrages zu entle-digen. Man läßt Sie wissen, daß Andrea Parvisi unter besonderem Schutz steht. Sollte ihm ein Mißgeschick, ein Unglück zustoßen, wird man den oder die Täter oder den Anstifter in Ihrem Hause suchen und… ihn auch finden. – Es war mir eine Ehre, Herr Bankier!«
    Gravelli hadert mit dem Schicksal. Klagt Gott und die Welt an, daß alle seine Handlungen und geschäftlichen Unternehmungen seit einiger Zeit fehllaufen. Daß er selbst an allem schuld sein könnte, kommt ihm nicht in den Sinn, ihm, dem reichen Mann. Für ihn ist Geld, Vermögen, das Höchste im Leben, so wichtig, daß es fähig sein muß, alle Verfehlungen als nicht geschehen aufzuheben. Er hat Menschen der Sklaverei zugetrieben, um zu Reichtum und damit zu Macht zu kommen. Er hat nicht gezögert, andere Kaufleute zugrunde zu richten, um seine Schätze zu vergrößern. Er war hart und unerbittlich, bereit zur Anstiftung eines Mordes, um bei seinen weiteren Taten ungestört zu sein. Nun ist er er-grimmt, daß der Lauf der

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