Unter rauschenden Palmen
Jerome im Hotelzimmer gege nüberstand, wurde sie plötzlich unsicher und nervös.
Gleich nach der Ankunft auf Orpheus hatten sie zu Abend gegessen. Das Essen war ausgezeichnet gewesen, und die Nacht warm und sternklar. Trotzdem war Clarissa alles seltsam unwirklich vorgekommen. Zu vie l war in den letzten zehn Tagen auf sie eingestürzt.
Jerome war es gewesen, der alles organisiert hatte. Er war einfach in der Kanzlei erschienen und hatte ihren Mitarbeiterinnen so heiter und charmant erklärt, dass sie nicht nur heiraten, sondern im August auch Zwillinge erwarten würden, dass keinerlei Peinlichkeiten aufgekommen waren und sich alle mit Clarissa und Jerome gefreut hatten.
Am Tag darauf war dann die Heiratsanzeige in der Zeitung erschienen, und von da an hatte das Telefon bei Clarissa nicht mehr stillgestanden, so viele Freunde, Bekannte und Mandanten hatten ihr gratuliert. Jerome hatte sogar - bestimmt in geheimer Absprache mit Sue - einen jungen, talentierten Anwalt gefunden, der unbedingt nach Lenriox Head ziehen wollte und an einer Teilhaberschaft interessiert war.
Als Clarissa durch die Räume ihres zukünftigen Heims gegangen war, war ihr alles wie ein Traum erschienen. Sie hatte einfach nicht glauben können, dass sich von nun an ihr Leben hier abspielen würde - daran hatten auch Mays aufrichtige Willkommensgrüße nichts ändern können.
Jerome hatte ihr wirklich abgenommen, was er nur konnte, nur eins hatte er nicht getan: Er hatte nicht mit ihr geschlafen. Aber sie hatten auch keine Zeit dazu gehabt, denn die Erntezeit für die Macadamianüsse hatte begonnen. Jerome hatte alle Hände voll zu tun gehabt, um alles so vorzubereiten, dass die Arbeiten wenigstens für eine Woche auch ohne ihn liefen.
Und noch etwas bereitete Clarissa Kopfzerbrechen: der Blick, mit dem Jerome sie kurz vor der Trauungs zeremonie am Altar angesehen hatte. Leidenschaft hatte daraus gesprochen, ganz eindeutig, aber noch etwas anderes, das sie nicht so recht hatte interpretieren können. War es Triumph gewesen?
"Clarissa?" fragte er leise.
Sie hob den Kopf und zupfte nervös an der gelben Hemdbluse, die sie zu ihren weißen Stretchjeans trug - sie hatte sich schon wieder völlig neu einkleiden müssen.
"War der Tag zu anstrengend für dich?" Sanft massierte er ihr Nacken und Schultern.
Das wirkte Wunder. Clarissa reckte sich wohlig und ließ den Kopf an seine Brust sinken. Sie seufzte. "Ich weiß es nicht. Ich kann dir nicht beschreiben, wie ich mich fühle."
"Vielleicht so, als hätte ich dich in eine fremde Welt entführt, in der du dich nicht auskennst und die dir Angst macht?"
Sie sah ihn an. "Woher weißt du das?"
"Ich kenne dich besser, als du glaubst. Du warst übrigens eine bezaubernde Braut."
Sie schnitt ein Gesicht. "Eine schwangere Braut!"
"Das scheint niemanden gestört zu haben und mich am allerwenigsten."
"Und du ..." Sie schluckte. "Es sah aus, als würdest du heimlich triumphieren."
"Nicht nur heimlich."
Sie sah ihn derart entgeistert an, dass er lachen musste.
"Hast du etwa gedacht, ich würde es abstreiten? Habe ich denn nicht allen Grund, stolz zu sein? Ich sage es dir ganz offen, Clarissa. Als ich dich in der Kirche erblickte, so schön und so klug, und mir bewusst wurde, dass du meine Kinder unter dem Herzen trägst, durchströmte mich ein ungeheures Triumphgefühl. Kannst du mir das verdenken?"
Sie atmete tief ein.
"Aber das ist nicht alles", fuhr er fort, als sie weiterhin schwieg. Er massierte immer noch ihre Schultern, und sie standen sehr nah beieinander, so nah, dass ihr der beunruhigende Blick seiner grauen Augen nicht entging, in dem schon wieder dieses gewisse Etwas lag.
"Ich habe jetzt schon seit fast zwei Monaten abstinent gelebt, Clarissa, und sterbe fast vor Verlangen. Aber du interessierst dich überhaupt nicht für mich."
"Du hast dich auch nicht für mich interessiert."
"Ich war mir nicht sicher, ob du mich wolltest. Ich wusste nicht, ob du immer noch Vorbehalte gegen körperliche Liebe in der Schwangerschaft hattest oder ob du bis nach der Hochzeit warten wolltest. Du hast mir all die Veränderungen vorenthalten, die mit dir vor sich gegangen sind. Wolltest du mich davo n ausschließen?"
"Nein, Jerome, das war es nicht."
Er zog die Brauen hoch. "So? Was war es denn?"
"Ich hatte einfach Angst." Sie schluckte. "Du hast mir einmal gesagt, dass du mich so magst, wie ich bin. Aber so bin ich nicht mehr. Vielleicht werde ich nie wieder so aussehen ..."
"Clarissa! Ist das
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