Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
kleinen Zwillingen in ihrer Küche Hausaufgaben gemacht hat. „Aber keiner weiß, was da dahintersteckt. Denk an den Anschlag auf die Gasleitung.“
„Das hat mit ‚Cybersolar‘ aber hundertprozentig nichts zu tun. Überleg einmal: In anderen Ländern kämpfen Menschen unter Lebensgefahr für Demokratie, da können wir uns doch wenigstens für unsere Umwelt einsetzen. Geh einfach mit und sieh es dir an. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Mam mit dabei ist.“
Ich mir eigentlich auch. Bin ich wirklich schon so alt und bequem geworden? Natürlich sollte man aufstehen und gegen den CO 2 -Ausstoß, für Ökostrom und gegen Knoblauch aus China kämpfen. Hat auch mit Energieverschwendung zu tun. Warum muss etwas, das bei uns wächst, Tausende Kilometer reisen? Ganz abgesehen davon, dass er scheußlich schmeckt. „Mal schauen“, sage ich und küsse Fran zum Abschied auf die Wangen.
[ 7. ]
Den Abend verbringe ich in trauter Zweisamkeit mit Oskar. Wir essen bei unserem Lieblingschinesen und sehen uns in einem Programmkino gleich zwei alte Woody-Allen-Filme an. In keinem von ihnen kommen Energiekonzerne, Militäroffiziere, Ex-Politiker in blauem Blazer, Hummer-Monster oder sonst etwas vor, das mir tagsüber im Kopf herumgeistert. Wir amüsieren uns über die liebevoll-ironischen Schilderungen von Zweierbeziehungen, Lebenslügen und Missgeschicken. Ich bin gerührt über eine Liebesszene und wische rasch eine Träne fort. Ich mag es nicht, wenn man mich für derart sentimental hält. Danach gehen wir heim, genießen das warme Herbstwetter und gönnen uns noch eine Flasche Merlot. So einfach und schön kann das Leben manchmal sein.
Am nächsten Morgen trödle ich ein wenig, Vesna muss eine Firma überwachen, in der angeblich geklaut wird, und hat keine Zeit zum Joggen. Soll ich es allein tun? Oskar hat Gerichtstag und ist schon fort. Schön ist es hier, in dem großen, lichtdurchfluteten Raum. Andererseits: Ein paar Kilometer zu laufen, erzeugt ein gutes Gefühl. Zumindest im Nachhinein. Und ich kann Vesna damit verblüffen. Das gibt wohl den Ausschlag. Ich ziehe mich rasch um. Allzu lange habe ich ohnehin nicht Zeit, spätestens um halb elf sollte ich in der Redaktion sein.
Ich gebe zu, ich trabe bloß und bin deutlich langsamer, als wenn Vesna mich antreibt, aber dafür keuche ich auch nicht so. Was für ein schöner Tag. Ich renne vom Donaukanal durch Nebengassen heim, so viele Leute sind um die Zeit noch nicht auf der Straße. Und sollte mich jemand erkennen: Was soll’s?
Ich singe unter der Dusche, misstrauisch beäugt von Gismo. Die bekommt noch drei Oliven zur Belohnung für den prächtigen Tag. Eine SMS. Von Christoph Unterberger. „Danke für unseren wunderschönen Abend. – Fortsetzung?“ Man wird sehen, warum nicht. Er weiß, dass ich meinen Oskar habe. Und trotzdem … Ich werde später antworten, jetzt muss ich in die Redaktion. Mira, die Frau mit Ausdauer und Elan. Es ist ein bisschen später geworden als gedacht, ein Viertelstündchen vor der Redaktionssitzung werde ich trotzdem in meinem Büro sein.
Als ich um die Ecke biege, läutet das Telefon. Er soll nicht so ungeduldig sein, mein Bundesheerleutnant, quatsch, er ist nicht „mein“ Leutnant. – Aber nett. Ein Blick aufs Display. Es ist die „Magazin“-Chefsekretärin. Wo ich denn sei? Es gehe um die Energie-Serie, der Chef suche mich. Ich bin in fünf Minuten da, versichere ich, und während ich das Redaktionsgebäude betrete, überlege ich, warum der Chefredakteur mit mir schon vor der Sitzung über die Story sprechen will und wie ich mehr Seiten herausschlagen kann. Dass das Thema brisant ist, wird auch durch „Cybersolar“ immer klarer. Und ich möchte die Reportage über das Fest in Sonnendorf nicht reduzieren. Solche Geschichten werden gerne gelesen. Vielleicht ist es meine Art, zur Weltverbesserung beizutragen: indem ich über ein kleines Dorf und diejenigen berichte, die ihre Vision von einer besseren Zukunft in die Realität umsetzen.
Im Büro des Chefredakteurs treffe ich erstaunlicherweise auch unseren Geschäftsführer. Nicht notwendig, mich für das Interview mit Schwarzenegger noch extra zu loben! Kaum der Rede wert, er ist doch unser aller Freund, der Arnie. Tatsächlich drückt mir der Geschäftsführer überschwänglich die Hand. Ich lächle ihn an, heute finde ich sogar den Abgesandten unserer Geldzähler nett. Klaus sieht seltsamerweise viel weniger glücklich drein. Er verzichtet auf die zwischen uns üblichen
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