Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
Überlandgasleitungen sind jedenfalls ein wunderbares Ziel“, setze ich nach. „Dabei gäbe es eine Alternative zu ihnen: regionale und lokale Energieversorgung.“ Fran wäre stolz auf mich.
„Genau so einen Unsinn will ich nicht in unserem Blatt lesen“, sagt der Geschäftsführer nicht zu mir, sondern zum Chefredakteur.
„Arnold Schwarzenegger. Der sagt das auch“, werfe ich meinen letzten Triumph in die Waagschale. Aber heute scheint nicht einmal der Terminator die Welt retten zu können.
Ich habe die Redaktionskonferenz über geschwiegen. Der Chefredakteur hat nur erzählt, wir seien uns über die Fortsetzung der Energie-Serie einig, und sich dann anderen Themen zugewandt. Soll ich aus Protest kündigen? Nicht einmal das ist so einfach. Ich bin gar nicht angestellt, sondern bloß ständige freie Mitarbeiterin mit einem Sondervertrag. Einem inzwischen recht gut bezahlten. Hätte ich das Rückgrat, das ich von anderen einfordere … Andererseits: Wer würde an der Serie weiterschreiben? Ganz abgesehen davon: Wie wichtig ist sie? Habe ich mich da in etwas hineingesteigert? Wem will ich etwas beweisen? Ich verschanze mich in meiner Dschungelecke und rede mir ein, dass ich Material sichte. In Wirklichkeit rennen meine Gedanken im Kreis, ich surfe durchs Internet, finde bei „Pure Energy“ noch immer Sonnen. Offenbar bringt man sie nicht so schnell weg. Auf der Facebookseite von „Cybersolar“ ein Statement:
„Wir können nicht mehr zusehen, wie es mit der Umwelt bergab geht. Die Politiker sind wie Tauben: Sie lassen sich füttern und scheißen uns auf den Kopf. Wir sind vereint in der Sache, kennen einander aber nicht. So können sie uns nie schnappen. Jeder bringt seine Fähigkeiten mit: technisches Know-how, Hacken, Informationsbeschaffung. Wir sind Schüler und Studentinnen, Arbeitslose und Arbeitnehmerinnen, Militärs und Beamtinnen. Unser Kollektiv hat eben erst begonnen! Wir geben dem Volk wieder eine Stimme!“
Militärs: Was, wenn Unterberger … Mira, vergiss es. Der ist Teil des Establishments und du bist es in Wirklichkeit auch. Sonst hättest du heute in der Redaktionssitzung Radau gemacht und wärst danach gegangen. Ganz abgesehen von alldem: Ist „Cybersolar“ wirklich die „Stimme des Volks“? Das haben schon viele gedacht und damit großen Schaden angerichtet.
Sinnlos, hier herumzuhängen. Im Internet surfen kann ich daheim auch. Und dort kann ich vielleicht auch besser nachdenken. Ich eile durch das Großraumbüro, als wäre ich in höchst dringlicher Mission unterwegs. Ich renne beinahe die Straße entlang, überquere mit großen schnellen Schritten die Alte Donau, bin im ersten Bezirk. Ich sollte mich vielleicht doch „Cybersolar“ anschließen. Oder eine Leitung sprengen. Zumindest eine kleine. Nur um zu zeigen, dass es so nicht weitergeht. Was für eine feige Bagage die Chefs im „Magazin“ sind. Dabei können sie in diesem Fall nicht einmal damit argumentieren, dass die Zukunft unserer Energieversorgung keinen Menschen interessiert. Offenbar gibt es doch noch höhere Interessen als die heilige Auflage! SMS-Ton. Nein, ich habe gar keine Lust, das Gejammer des Chefredakteurs zu lesen. Zu feig, um zu meinem Schreibtisch zu kommen. Zu feig, um anzurufen. Jetzt ist es zu spät. Zumindest für heute. Ich muss nachdenken. In Ruhe. Und wenn es jemand anderer ist, der mir eine Nachricht geschickt hat? Ich reduziere mein wütendes Tempo ein wenig und fingere das Telefon aus der Jackentasche. Tina Bogner. Wunderbar. Was will die von mir? Mich vereinnahmen? Wenn die wirklich mit „Cybersolar“ zu tun haben, dann gibt es ein großes Problem. Die meisten Menschen sehen es nicht so locker wie Fran, wenn man fremde Homepages mit Sonnen verziert. Und: Offenbar haben sie noch so einiges vor. Ich bleibe stehen und lese, was mir die Sprecherin von „PRO!“ geschickt hat.
„Bitte rufen Sie mich sofort an! Es ist wichtig! Vertraulich.“
Vielleicht sind sie ja jetzt erst draufgekommen, dass da eine Organisation mit ihren Sonnen gegen herkömmliche Energieerzeuger Stimmung macht. Ist, selbst wenn sie nichts damit zu tun haben, gar nicht gut für ihr Image. Ich drücke auf die markierte Rufnummer.
„Sie haben das mit den Sonnen mitbekommen?“, frage ich. Soll sie nur sehen, dass ich gut informiert bin.
„Was für Sonnen? Keine Ahnung, wovon Sie sprechen. Bitte kommen Sie, ich brauche jemanden, der uns nicht so feindlich gegenübersteht. Es ist etwas Verrücktes passiert.“ Tina
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