Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
Küsschen und nickt mir bloß, ganz Chefredakteur und Vorgesetzter, zu. „Guten Morgen, Mira. Danke, dass du gekommen bist.“
Oder wollen sie etwa, dass ich den Unsinn über Umweltterroristen nachschreibe? Na gut. Mit Karl Novak von „PRO!“ möchte ich ohnehin reden und ihn fragen, ob er während des Fests in Sonnendorf im Elektroauto unterwegs gewesen ist. Und wohin er gefahren ist. Am besten, ich gehe auch meinen beiden Chefs gegenüber in die Offensive. Also lege ich los und erkläre den beiden, was ich für die nächste Ausgabe plane. Sie hören zu und unterbrechen mich nicht. Sehr gut.
„Ich fürchte, wir haben nicht ganz so viel Platz“, sagt mein Chefredakteur dann.
Ich starre ihn an. Vier Seiten waren vereinbart. Eigentlich wollte ich sechs. Er scheint sich in seiner Haut nicht wohlzufühlen.
„Es gibt da sehr viele ungeklärte Fragen“, mischt sich der Geschäftsführer ein. „Wir können unseren Ruf nicht aufs Spiel setzen, indem wir eine Position beziehen, die sich später als problematisch herausstellt.“
Also, so großartig ist der Ruf des „Magazin“ auch wieder nicht. Wochenzeitung mit Hang zum Boulevard und seriösen Einsprengseln in auflagenverträglicher Dosis. „Ich beziehe keine Position. Ich berichte.“
„Manchmal bezieht man schon Position, indem man berichtet.“
„Sind wir in China oder was?“, platze ich heraus. „Energieversorgung ist ein heißes Thema, deswegen schreiben wir darüber. Alle waren für diese Serie. Warum ist das jetzt anders?“
„Es ist nicht anders, die Umstände haben sich geändert.“
„Wir setzen die Serie ja fort, nur etwas kleiner eben“, ergänzt Klaus, den ich in dummem Momenten fast für einen Freund halte. Was für ein Anpassler. Da hat sicher wieder einmal die Anzeigenabteilung dreingepfuscht. Hat wohl Angst, dass die Energie-Multis nicht gut genug wegkommen und sauer werden. Hat gar schon jemand mit der Stornierung von Anzeigen gedroht? Wir hier sind die Redaktion und nicht die Verkaufsabteilung!
„Und mit einem anderen Schwerpunkt“, fällt der Geschäftsführer ein.
Was ist das hier, ein Duett für zwei Heuchler?
„Das Wichtigste ist, dass wir serviceorientiert berichten. Über Energiespartipps zum Beispiel. Die Leute haben kein Interesse an ideologischen Konzepten, sie wollen lesen, was sie unmittelbar betrifft.“
„Wenn ein AKW in die Luft geht, dann betrifft das viele sehr unmittelbar“, fauche ich. „Und wenn uns Russland den Gashahn zudreht, auch. – Wissen Sie übrigens, dass ‚Pure Energy‘ mit russischem und chinesischem Kapital arbeitet?“
„Natürlich werden grenznahe Atomkraftwerke und der Ausstieg aus der Atomenergie weiter ein Thema sein“, säuselt der Chefredakteur.
Dafür braucht man keinen besonderen Mut. Gegen Atomstrom sind sogar die vom „Blatt“. Und unsere Politiker auch. „Soll ich vielleicht Zemlinsky zum neuen Helden der Energiepolitik machen? Bekomme ich dann mehr Platz? Der will auch keine AKWs, und dass seine Werbefirma von ‚Pure Energy‘ Geld nimmt, ist ja egal, was?“
Der Geschäftsführer des „Magazin“ sieht mich traurig an und blickt dann zum Chefredakteur. „Genau das habe ich gemeint. Wir sind nicht dazu da, die unbewiesenen Anschuldigungen irgendwelcher Lobbys zu übernehmen. Das können wir uns einfach nicht leisten. Wir brauchen gerade in so einem Bereich seriös recherchierte Berichte, keine wilde Verfolgungsjagd.“
„Ich dachte, wir seien auch dazu da, um Missstände aufzudecken“, erwidere ich. Meine Stimme kippt beinahe. Gar nicht gut. Außerdem klingt es schrecklich pathetisch. Ich hole tief Luft. „Und wie ist es mit dem? Ich habe ein Exklusivinterview mit Generalleutnant Christoph Unterberger, in dem er bestätigt, dass internationale Terroristen daran denken, die europäische Energieversorgung anzugreifen. Das Bundesheer macht Übungen bei gefährdeten Objekten.“
„Es gibt eine konkrete Terrorwarnung?“, fragt Klaus plötzlich sehr interessiert.
„Das nicht direkt. Aber in Terrorcamps wird darüber geredet, wie sie uns am besten treffen könnten.“
„Gut, das kann man schreiben. Aber wenn die Gefahr nicht konkreter ist, dann ist das auch keine große Geschichte. Wir wollen die Menschen nicht verunsichern“, befindet der Geschäftsführer, der sich eigentlich in redaktionelle Belange gar nicht einzumischen hätte. Sinnlos, ihm das zu sagen, das weiß sogar ich. Hm. Auch Christoph hat davor gewarnt, die Menschen zu verunsichern.
„Unsere
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