Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
eine derart groß angelegte? War es das, wovor mich Zuckerbrot warnen wollte? Gab es, als ich mit ihm geredet habe, bereits einen Antrag? Kann ich mir nicht vorstellen. Er würde eine polizeiliche Maßnahme nicht unterlaufen. – Und wenn er dagegen ist? Er ist der Chef der Sonderkommission. Aber bin ich mir sicher, ob er auch das Sagen hat? Anders als bei „Cybersolar“ gibt es bei der Polizei eine strikte Hierarchie. – In dem Hausdurchsuchungsbefehl muss stehen, um welche strafbare Handlung es geht. Muss es auch eine Begründung für den Verdacht geben? Ich war in Strafrecht eher eine Niete. Dabei hatten wir einen guten und auch ausgesprochen sympathischen Professor. Ich kann mich noch an seine legendären Feste am Institut erinnern. Mit jeder Menge Wein in Plastikbechern. Das hilft mir jetzt auch nicht weiter. Ich nehme ein Taxi, es dauert zu lange, mein Auto zu holen.
Es war eine idiotische Entscheidung. Der Wiener Nachmittagsverkehr ist auf dem Höhepunkt. Andererseits: Zu Valentin in der Villengegend gibt es ohnehin keine U-Bahn, auch keine Straßenbahn. Nur irgendeinen Bus. Der wäre wohl auch nicht schneller. Ich versuche Oskar zu erreichen, er geht nicht dran. Vielleicht ist sein Konzipient in der Kanzlei. Der kennt sich zwar eher im Wirtschaftsrecht als bei Hausdurchsuchungen aus, aber es soll ja auch Unternehmer geben, bei denen die Polizei etwas finden möchte. Da scheint es allerdings nicht so schnell zu gehen, dass so ein Durchsuchungsbefehl ausgestellt wird. Wie war das bei unserem ehemaligen Finanzminister mit seinen überall auf der Welt verstreuten Konten, an die er sich nicht erinnern kann? Jahre hat das gedauert.
Wie war das eigentlich bei Zemlinsky? Hat es da überhaupt eine Hausdurchsuchung gegeben? Warum wurde das Verfahren gegen ihn so schnell eingestellt? Und warum passiert hier alles so überfallsartig? Weil die mächtigen Lobbys in diesem Fall auf der anderen Seite stehen? Warum hat Fran uns gegenüber nicht zugegeben, dass er etwas mit den Hacker-Angriffen zu tun hat? Weil: Worum sonst sollte es sich handeln? Endlich. Der Konzipient geht dran. Viel mehr weiß ich nach unserem kurzen Gespräch allerdings auch nicht. Der Taxilenker hat überaus interessiert zugehört.
„Um die Umweltterroristen geht es? Es interessiert ja keinen, was ich sage, aber es ist ganz klar: Die gehören hinter Gitter. Sind um nichts besser als die radikalen Moslems. Die wollen, dass es bei uns kalt und finster ist. Sollen wir zurück in die Steinzeit? Den Dieselpreis wollen sie auch verdreifachen, die Grünen und alle die Terroristen. Diese Hacker, die arbeiten nichts und sitzen nur den ganzen Tag vor dem Computer und denken sich Unsinn aus. Ich fahre jetzt schon seit zehn Stunden Taxi.“ In seiner Empörung wäre er fast auf das Auto vor ihm geknallt. Ich verkneife mir einen Kommentar und hoffe, dass er von selbst wieder zu reden aufhört.
„Ich will es warm, wenn ich heimkomme, und ich will mich vor den Fernseher setzen. Auf eine andere Welt pfeif ich, auch wenn sie vielleicht mehr Umwelt oder so hat. Außerdem: Es schaut nicht so aus, als ob es bei uns wärmer würde. Der Sommer war doch beschissen, oder? Jetzt, der Herbst, der ist in Ordnung …“
Und wieder geht es ein Stück vorwärts. Als ich bei Valentins Villa ankomme, ist er schon da. Er kommt mir fassungslos entgegen. „Sie suchen nach Computern. Sie haben tatsächlich auch gegen mich einen Durchsuchungsbefehl.“
„Was werfen sie dir vor?“
„Beihilfe zum organisierten Verbrechen. Beihilfe zur Gemeingefährdung, zum Einbruch in Datenbanken, zur Bildung einer terroristischen Vereinigung. Beihilfe zur Geiselnahme und zur schweren Sachbeschädigung. – Wo ist Oskar?“
„In Deutschland. Ich rede mit den Beamten. – Zur Geiselnahme? Sind die übergeschnappt?“
Ich gehe ins Haus. Drei Polizisten in Uniform durchstöbern gerade das Wohnzimmer. Es wirkt wie ein Einbruch. Keiner von ihnen kommt mir bekannt vor. „Was suchen Sie?“
Die drei fahren zu mir herum. „Wer sind Sie?“
„Eine Vertrauensperson von Valentin Freytag. Ich habe das Recht, bei der Durchsuchung dabei zu sein.“
„Hat ja auch keiner bestritten“, murmelt ein langer, dünner Polizist, der nicht viel älter sein kann als Fran.
„Was heißt Vertrauensperson? Das ist die Valensky vom ‚Magazin‘“, sagt ein deutlich älterer Beamter zu seinen Kollegen.
„Ich bin hier zur Unterstützung von Valentin Freytag. Fragen Sie ihn. Wonach wird eigentlich
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