Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
wenn es um moderne Technik geht. „Dein Telefon. Oder meines. Das haben sie nämlich nicht mitgenommen. Stand wohl nicht auf ihrer Liste.“ Er grinst.
Wir probieren es mit meinem. Eine Mitteilung der Behörden gibt es nicht. Dafür gleich einige Botschaften sowohl auf Facebook als auch bei Twitter. Sieht so aus, als hätte es tatsächlich eine Reihe von Hausdurchsuchungen gleichzeitig gegeben. Dann verwende ich mein Telefon für seinen eigentlichen Zweck, rede mit dem Chef vom Dienst und gebe durch, was ich gern geändert hätte. Kann sein, dass meine Wochenzeitung mit diesen Neuigkeiten schneller ist als die Tagesmedien.
Und weil ich gerade am Telefonieren bin, probiere ich es noch einmal auf Zuckerbrots Mobiltelefonnummer. Nach dem fünften Läuten hebt er tatsächlich ab.
„Zuckerbrot? – Nein, mir keinen Wein mehr! Ich bin der, der euch morgen aus dem Hafen bringen soll!“ Das war wohl nicht an mich, sondern an seine Segelfreunde gerichtet. Glücklich und entspannt klingt er. Wer bin ich, dass ich ihn in seinem Urlaub störe? Ich überlege schon, die Beenden-Taste zu drücken.
„Mira Valensky, wenn Sie es sind und niemand, der ihr das Telefon geklaut hat, dann sagen Sie schon, was Sie wollen. Ich bin zum Glück ausreichend weit weg.“
Ich hole Luft. „Die Sonderkommission hat heute mehrere Hausdurchsuchungen bei Leuten gemacht, die sie mit ‚Cybersolar‘ in Verbindung bringt. Es geht um Fran, den Sohn meiner Freundin. Sie haben nicht nur seine Wohnung, sondern auch Vesnas Büro, Janas angrenzende Wohnung und die Villa ihres Lebensgefährten durchsucht. Wegen angeblicher Beihilfe zur Bildung einer verbrecherischen Organisation, Geiselnahme und einigem anderen mehr.“
Stille in der Leitung. Ich sehe aufs Display. Aufgelegt hat er noch nicht. „Ich habe Sie gewarnt“, kommt es zurück. Es klingt kein bisschen lustig mehr.
„Die Durchsuchungsbefehle sind nicht auf Ihrem Mist gewachsen, oder? Die haben damit gewartet, bis Sie auf Urlaub sind.“
„Und wer sind Ihrer Meinung nach ‚die‘?“
„Justizministerium. Staatsanwaltschaft. Vielleicht ein karrierebewusster Kollege von Ihnen. Abgeordnete wie dieser Zemlinsky. Offenbar lassen es sich Energiekonzerne wie ‚Pure Energy‘ oder ‚AE‘ nicht einfach gefallen, in der Öffentlichkeit dumm dazustehen, weil man ihre Seiten hacken kann, vor ihren Zentralen picknickt und zeigt, dass ihre Leitungen ein schönes Terrorziel sind. Die haben genug Macht und auch genug Geld, um in der Justiz Leute zu finden, die sie rächen.“
„Erstens ist Hacking wirklich ein Verbrechen und zweitens: Glauben Sie, das Justizministerium ist der öffentlichen Meinung gegenüber unempfindlich? Da braucht man keinen besonderen, wie immer gearteten Nachdruck, die lesen ja alle täglich, was das Volk will.“
„Hört sich an, als würden Sie trotzdem nicht voll hinter den Hausdurchsuchungen stehen?“, frage ich nach.
Wieder Stille in der Leitung. Dann seufzt Zuckerbrot. „Ich wäre froh, wenn dieser Terrorismus-Paragraf ‚Bildung einer kriminellen Organisation‘ nicht zu häufig eingesetzt würde. Und was die Geiselnahme angeht … keine Ahnung, wer auf die Idee gekommen ist. Ich nehme an, das bezieht sich auf den verschwundenen Gruber. Aber: Ich bin sehr wohl dafür, Hacker zu bestrafen, nur damit das klar ist. Das ist kein Kavaliersdelikt. – Wie viele Hausdurchsuchungen hat es gegeben, sagten Sie?“
„Ich weiß es nicht genau. Drei, deren Wohnung man durchsucht hat, haben etwas darüber ins Internet gestellt. Fran ist der Vierte, wobei das, genau betrachtet, gleich vier Hausdurchsuchungen waren. Und: Alle werden es nicht öffentlich machen.“
Stille in der Leitung. „Irgendwelche neuen Angriffe auf Pipelines oder andere Energieeinrichtungen?“, fragt er dann.
„Nicht, dass ich wüsste. Dafür hat es offenbar zwei große ‚Cybersolar‘-Picknicks in Berlin gegeben.“
„Na wunderbar. – Kein Wort von dem, was wir geredet haben, wird geschrieben, klar? Sonst muss ich vielleicht demnächst unter der Brücke schlafen und hab keine andere Chance, als mich den Picknickern anzuschließen.“
„Wenn das so ist, werde ich es mir noch überlegen“, lache ich. „Einen schönen Urlaub, ich meine das wirklich so. Sorry, dass ich Sie gestört habe. Ich habe mir ohnehin gedacht, dass Sie mit der Aktion nichts zu tun hatten. Sie gehören nicht zu denen, die Leute schikanieren, nur weil Sie überzeugt sind …“
„Sehr geehrte Frau Valensky, bevor Sie
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