Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
die große Mutter möchte.“ Es klingt ein klein wenig herablassend.
Wir räumen gemeinsam auf und trinken noch einen Whiskey. „Sie sind jedenfalls nicht gekommen, um dich auszuhorchen“, sagt Oskar.
„Ich glaube, Hohenfels unterschätzt Stepanovic“, erwidere ich.
„Ein weltgewandter Adeliger und ein ehrgeiziger junger Manager mit drei Studien, einer Selbstverteidigungsausbildung in Moskau und Löchern in der Biografie. – Könnte es sein, dass ‚Pure Energy International‘ Stepanovic geschickt hat, um auf Hohenfels aufzupassen?“, überlegt Oskar.
„Ich werde versuchen, morgen mit Generalleutnant Unterberger zu reden. Vielleicht weiß er, was man in einer privaten Sicherheitsfirma in Moskau lernt. – Wenn es dir recht ist“, setze ich hinzu, als ich Oskars Blick sehe. Die Eifersucht scheint sich noch nicht ganz gelegt zu haben. Eigentlich ein gutes Zeichen für unsere Beziehung.
„Oh, natürlich habe ich da nichts dagegen, warum auch, ich mische mich doch auch sonst nicht in deine Arbeit ein“, kommt es zurück.
Fast nie, liebster Oskar, manchmal schon, denke ich, sage es aber nicht.
„Schade, dass sich Valentin noch nicht wegen des gemeinsamen Abendessens gemeldet hat“, fährt er fort.
Ich gebe zu, mir ist in der nächsten Zeit nach entspannter Nahrungsaufnahme mit keinem weiteren Ziel, als einfach gut zu essen.
Unterberger scheint sich darüber zu freuen, dass ich ihn anrufe. Eigentlich müsse er schon weg, zu einer Tagung in Budapest. Aber sein Fahrer sei ohnehin flott und ein kurzes Treffen, am besten wieder im „Prückel“, sollte sich noch ausgehen. Ich könnte ihn ja am Telefon nach Moskauer Sicherheitsdiensten fragen, aber ein gemeinsamer Kaffee ist netter. Und: Bei all dem, was in den letzten Tagen geschehen ist, vielleicht auch klüger.
Der Generalleutnant hat dieselbe Nische wie beim letzten Mal erobert. Vorzeigemilitär in Uniform, er studiert die Karte. Als ich näher komme, springt er auf. Wir sehen einander an. Es nützt nichts, es abzustreiten: Da ist so ein gewisses Prickeln. Er streckt mir die Hand hin und beugt sich dann doch schnell vor und gibt mir einen Kuss auf die Wange.
Wir bestellen Cappuccino, für Campari Soda ist es heute noch zu früh.
„Seid ihr in die Ermittlungen rund um ‚Cybersolar‘ eingebunden?“, frage ich.
Christoph schüttelt den Kopf. „Solange es nicht mit internationaler Terrorabwehr zu tun hat, überlassen wir das den Polizeibehörden. Wir werden informiert, leider nicht so häufig, wie es gut wäre – das ist allerdings nichts, was du schreiben darfst.“
„Und deine Meinung dazu?“
Er lächelt. „Es ist kein Wunder, wenn Internet-Bewegungen entstehen. Man kann sich jetzt viel leichter vernetzen als früher. Eigentlich ist es ein gutes Zeichen. Es gibt Menschen, die sich für ihre Umgebung interessieren, die Veränderungen wollen, die diskutieren. Das Problem: Man kann unter dem Deckmantel der Anonymität eine Menge anstellen. Anonymität schützt auch solche, die gegen Gesetze verstoßen. Außerdem halte ich es für feige, in einem Land wie unserem anonym aufzutreten.“
„Die letzten beiden Anschläge: die wirken nicht eben wie gefährliche Terrorakte, oder?“
„Natürlich nicht. Die Frage ist bloß: Können sie es nicht besser oder wollen sie nicht, dass wirklich etwas passiert. Jedenfalls schaffen sie es, viele Menschen zu verunsichern. Die Medien tragen natürlich das ihre dazu bei. Für viel gefährlicher halte ich die Hackerangriffe. Wenn sie gut genug und skrupellos sind, dann können sie faktisch alles lahmlegen.“
„Aber in Baden ist nur deswegen der Strom ausgefallen, weil ‚AE‘ eine Hochspannungsleitung vom Netz genommen hat und daraufhin ein Trafo durchgebrannt ist.“
„Nimmst du sie in Schutz?“, fragt der Generalleutnant und sieht mich aufmerksam an.
Ich schüttle den Kopf. „Ich finde bloß, es gibt jetzt schon viel zu viel an Überwachung. Die speichern alle unsere Daten, können alles vernetzen – glaubst du, dass man damit auch nur einen einzigen Terroristen mehr erwischt?“
Unterberger rührt in seinem Kaffee. „Die offizielle Antwort ist: Es gibt internationale Terrorzellen, wir müssen gewappnet sein, außerdem werden gespeicherte Daten nur verbunden, wenn ein konkreter Verdacht besteht.“
„Und die inoffizielle?“
„Ich fürchte, dass Terrornetzwerke geschickt genug sind, um sich nicht in diesen Netzen zu verfangen. Und es ist schon ein eigenartiges Gefühl zu wissen, dass bis
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