Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
…“
„Ich weiß, es ist vertraulich.“
„Wie war dein Treffen mit dem Generalleutnant? Konnte er dir etwas … Interessantes erzählen?“, fragt Oskar so beiläufig wie möglich.
„Wir haben uns ganz kurz im ‚Prückel‘ gesehen. Er will das mit der Moskauer Sicherheitsausbildung von Stepanovic checken. Er musste nach Budapest. Offenbar fliegen heute alle aus.“
„Oh, und die arme Mira bleibt allein zurück.“ Das klingt allerdings überhaupt nicht nach Bedauern.
Ich werde in Jogginghosen vor dem Fernseher hocken und die übrig gebliebene Fasanensuppe essen. Vielleicht mit Nudeln drin und einigen Shrimps, warum nicht ein wenig experimentieren? Einen Schuss Ketjap Manis dazu, ein Schlückchen Rum und ein paar Tropfen Hot Sauce … Ich sitze hinter meinem Redaktionsschreibtisch und überlege so vor mich hin. Jedenfalls keine Gäste, kein anstrengendes Programm für heute Abend.
Aber erst einmal muss ich meine Reportage schreiben. Alles scheint im Fluss zu sein. Diesmal habe ich gar nichts dagegen, dass ich nur zwei Seiten Platz habe. Klar muss ich die Ereignisse der Woche zusammenfassen, aber was habe ich, das die anderen nicht wissen? Einen Connecting Manager, der sich von einer privaten Moskauer Sicherheitsfirma ausbilden ließ? Das Video von Gruber auf YouTube! Ich rufe Fran an. Kein Problem, in ein paar Minuten schicke er es. Wo er sei? Natürlich auf der Uni.
Wir werden ein paar Standfotos machen und den Kellner aufrufen, sich zu melden. Auch damit es nicht so aussieht, als würden wir ihm den Film klauen wollen. Trotzdem werden wir die Sache mit den Urheberrechten genau abklären.
Ich surfe durch das Internet. „Pure Energy“ hat eine Art Ersatzhomepage ins Netz gestellt. Mal sehen, wie lang es dauert, bis sie gehackt wird. „AE“ hat ihre offenbar auch nicht sauber bekommen und ist offline. Die Stadtgemeinde Baden hingegen konnte sich von ihrem Hackerangriff befreien. Die Botschaft auf der Startseite ist verschwunden. Oder haben sich die Hacker freiwillig zurückgezogen? „Cybersolar“ kündigt für das Wochenende eine Wanderung entlang einer 380-kV-Leitung an. Und lässt seine „Freundinnen und Freunde in Berlin“ schön grüßen. – Tatsächlich! Jetzt gibt es auch „Cybersolar Deutschland“, und wenn es stimmt, was Sympathisanten ins Netz stellen, haben sich beim Öl-Kraftwerk Berlin-Wilmersdorf mehr als fünfhundert Leute zu einem Protest-Picknick versammelt. Beim Umspannwerk Mitte sollen auch einige hundert zusammengekommen sein. Hackerangriffe wurden keine gemeldet, aber vielleicht sind die deutschen Energieunternehmen ja auch besser geschützt als die österreichischen.
Neue E-Mail und das Video, das bis vor kurzem auf YouTube war, ist da. So einfach geht das heute.
Gegen fünf bin ich mit der Story fertig und einigermaßen zufrieden damit. Ich überlege, ob ich Vesna fragen soll, wie es denn mit einem Läufchen wäre. Einmal etwas anderes, wenn ich mit so einem Vorschlag komme. Andererseits: Ich habe beim Schreiben eine Leberkäsesemmel gegessen. Die liegt mir noch im Magen. Morgen. Oskar ist nicht da, also verführt mich keiner zu einem ausgiebigen Frühstück. Ich drücke die Kurztaste für Vesnas Telefonnummer.
„Wollte dich gerade erreichen“, sagt sie ohne jede Begrüßung. Sie klingt hektisch. „Bitte fahr zu Valentin in Villa. Er wird gleich da sein.“
Ich denke im ersten Moment an das geplante Abendessen samt Treffen zwischen Oskar und meinem Generalleutnant. Vor meinen Augen entsteht die Szene eines Duells: da Oskar, voll konzentriert; auf der anderen Seite Christoph in Uniform, ganz entspannt. Sie fixieren einander … So ein Unsinn. Außerdem ist Oskar in Frankfurt. „Was?“, frage ich nach. Ich habe Vesnas letzten Satz nicht mitbekommen.
„Es ist Hausdurchsuchung bei uns.“
„Wie bitte?“ Offenbar verstehe ich immer noch nicht.
„Das, was ich sage. Bin in Büro, da sind sie auch. Und in Wohnung von Jana daneben. Und bei Fran. Und bei Valentin.“
„Du bist dir sicher, dass es eine Hausdurchsuchung …“
„Bin ich dumm oder etwas?“, schreit Vesna. „Sie suchen. Vor allem wegen Fran! Valentin ist nicht sehr glücklich. Kein Wunder, wenn du solche Leute nimmst auf!“
„Okay, ich fahre hin. Brauchst du einen Anwalt?“
„Kannst Oskar mitnehmen.“
„Der ist in Deutschland.“
„Dann nicht, ist zu kompliziert. Da winkt einer von Polizei, ich muss …“ Und damit hat sie aufgelegt.
Warum eine Hausdurchsuchung? Und dann auch noch
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