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Unter Tage

Unter Tage

Titel: Unter Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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was das Projekt P betrifft, so kann wohl niemand verlangen, nach einer derart kurzen Anlaufzeit exakte Resultate zu erhalten!«
    »Ich verstehe. Ich warte.«
     
    *
     
    Klick!
    Matuschek stand am Rande der Schlucht, starrte nach unten, auf die schroffen Felsnadeln, die narbigen Kamine, die Vorsprünge und die mager bewachsenen Terrassen, auf den in der Ferne des Tales stumm dahinwirbelnden Wildbach.
    Ein dämmriger Abend, kalt wie Matuscheks Gedanken. Ein fauchender Winterwind, frostig wie Matuscheks Gefühle. Das hohle Weinen einer Bö, hoffnungslos wie Matuscheks Hoffnungen. Es muß also so sein! dachte Matuschek. Wenn nicht die Sterne fallen und der Boden einstürzt, dann muß der Mensch fallen und zu Boden stürzen. Das ist Wahrheit, das ist Schicksal.
    Eine Träne tropfte aus seinem rechten Auge, erfror zu einem starren Kügelchen.
    Die Felsen nickten Matuschek zu.
    Ich lasse alles zurück! sagte sich Matuschek. Ich lasse alles hinter mir! Die Trauer, den Schmerz, die Furcht, die Pein. Nur ein Schritt, ein tiefer Fall.
    Von dem Gipfel eines nahen Bergriesens glotzte stumm der Mond auf Matuschek herab.
    Der einzige Ausweg! überlegte Matuschek. Die einzige Möglichkeit, dem Versagen und den Sorgen, der allesfressenden Verzweiflung zu entkommen. Ein kurzes Rauschen in der Luft, und vorbei, und vorbei. Matuschek hob den Fuß.
    Klick!
    »Im letzten Moment!« seufzte Tribeau sorgenvoll. »Und das bei fünfzigprozentiger Energiedrosselung! Wenn dieser verdammte Computer …«
    »Beherrschen Sie sich, Tribeau!« verlangte Rescor ausdruckslos. »Es hat nichts mit dem Computer zu tun. Er funktioniert einwandfrei. Ich vermute eher, mit Matuschek stimmt irgend etwas nicht!«
    Matuschek? dachte Matuschek. Ist er nicht …? Tot? Tot? Wie komme ich auf tot? Ich bin Matuschek, Matuschek lebt! Warum denke ich, er/ich sei tot? Warum?
    »Sollen wir abbrechen?« Tribeau schien überrascht. »Der Diagnoster kann keine Abweichungen feststellen!«
    »Nein, selbstverständlich brechen wir nicht ab! Der Sektionsanalytiker gab uns freie Hand. Vorrang hat das Projekt, insbesondere bei politischen Verbrechern. Sie kennen das ja!«
    »Aber trotzdem … Matuschek ist ein gutes Testmaterial. Wir wollen ihn nicht leichtsinnig gefährden!«
    »Was ergibt die Hormonspiegelung?«
    Tribeau drückte einige Knöpfe, verschob einige Schieberegler. »Die Regenerierung erfolgte dieses Mal langsamer als bei den ersten beiden Versuchen«, erklärte er nervös. »Aber das war zu erwarten.
    Die Belastung liegt nach wie vor innerhalb der Toleranzgrenze. Und bis auf starke Erregungszustände im vegetativen Nervensystem funktioniert der Organismus normal.«
    Rescor machte eine auffordernde Geste.
    Klick!
    »Du bist enttarnt, Matuschek!« sagte der mittlere Schatten.
    Matuschek zitterte, wich zurück, Hände und Stirn kalt vor Entsetzen.
    »Leugnen nützt dir nicht, Matuschek!« bemerkte der rechte Schatten.
    »Leugnen verschlimmert deine Lage, Matuschek!« schloß sich die linke nachtdunkle Gestalt genüßlich an.
    »Du bist enttarnt, Matuschek!« wiederholte der mittlere Schatten.
    Die Wand in Matuscheks Rücken war dornig und abweisend, zerkratzte seine Haut und biß wie mit Feuer in seinen Nervenenden.
    »Ich bin unschuldig!« stammelte Matuschek. Die Feuchtigkeit in seiner Mundhöhle verdunstete.
    Langsam, überlegen traten die Schatten näher.
    Keine Gesichter! bebte Matuschek. Mein Gott, wo sind ihre Gesichter?
    »Unschuldig?« höhnte der Mittlere.
    »Un-schuldig?« äffte der Linke Matuscheks Worte nach.
    »Sieh dich an, Matuschek!« gellte der rechte Schatten. »Sieh an dir hinunter, Matuschek!«
    Matuschek klappte seinen Kopf nach vorn. Matuschek erstarrte.
    Nackt!
    Nackte, unbekleidete, fischbleiche Haut. Und auch dort – Mutter, auch dort war er nackt!
    Matuschek sank zusammen. Hunderttausend Finger deuteten auf ihn, hunderttausend Münder grinsten, lachten, lachten ihn aus.
    »Unschuldig?« geiferte der riesige, wackelnde Schatten über ihm. »Unschuldigunschuldigundschuldigundschuldig. Und schuldig!«
    Matuschek schluchzte vor Angst und Scham, verbarg sich vor den schielenden, wispernden Augen.
    »Es ist doch nicht schlimm!« schrie er. »Es ist doch ein Teil von mir! Dann kann es doch nicht schlimm sein! Verstehst du das denn nicht?«
    Matuschek krümmte sich, tastete an seiner Nacktheit entlang, tastete tiefer …
    »Faß es nicht an!« brüllte der Schatten. »Es ist Sünde! Fort! Schmutz und Dreck!«
    Matuscheks kleine, kraftlose Hand

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