Unter Trümmern
er, „was können Sie mir anbieten?“
Die beiden anderen sahen noch ein paar Sekunden herüber, dann verschwanden sie wieder in ihrer Ecke.
„Wenn Sie noch fünf Minuten Zeit haben, können Sie den Adler haben. Von außen nicht erste Sahne, aber die Technik ist in Ordnung. Hat zudem Vorderradantrieb. Bei dem Wetter nicht schlecht.“
„Und einen Fahrer?“, fragte Koch, als sei es das Selbstverständlichste der Welt und erhielt dafür einen verständnislosen Blick als Antwort.
„Und?“, insistierte er weiter.
„Gibt es nicht“, erwiderte Jörg schließlich. „Ich dachte, Sie machen einen Scherz …“ Er wusste nicht, ob der Mann ihn einfach auf den Arm nahm, deshalb grinste er.
„Sehe ich aus, als würde ich Scherze machen?“, brach es aus Koch hervor.
„Es gibt keine Fahrer“, kam die verärgerte Antwort. „Wenn Sie den Wagen wollen, müssen Sie selbst fahren. Da hinten ist das Büro“, er zeigte in die Richtung, wo eben die beiden anderen Männer verschwunden waren, „da müssen Sie sich eintragen.“
Ohne Erwiderung ging Koch dorthin und kam ein paar Minuten später mit dem Zündschlüssel am Finger zurück. Die Motorhaube des Adler war jetzt geschlossen.
„Sie kennen sich mit dem Wagen aus?“, fragte Jörg und öffnete mit übertriebener Geste die Tür.
Koch nickte und stieg ein, steckte den Schlüssel ins Zündschloss und startete den Motor. Beim dritten Versuch sprang der an, stotterte ein paar Mal und lief dann rund.
Jörg ging zum Tor und öffnete es.
Koch trat die Kupplung durch, legte den ersten Gang ein und würgte den Motor beim Anfahren ab. Er sah starr geradeaus und wiederholte den Startvorgang. Dieses Mal machte das Auto erst einen kleinen Sprung, bis es durch das Tor hinaus auf den Hof rollte, dabei hätte Koch fast den Rahmen der Einfahrt gestreift.
„So ein arrogantes Arschloch“, rief Jörg den beiden anderen Männern zu, die das Abwürgen des Motors aus ihrem Büro gelockt hatte.
„Gelernt ist eben gelernt“, entgegnete einer von ihnen. Schnell schloss Jörg das Tor wieder, um nicht zu viel Kälte in die Halle gelangen zu lassen.
Die Fahrt war eine Tortur, nicht nur wegen der Kälte und der Trümmer, die noch überall herumlagen und Koch immer wieder zu Ausweichmanövern zwangen. Frauen und Kinder, die Steine schleppten, traten oftmals unvermittelt auf die Straße. Einmal brachte er den Adler nur wenige Zentimeter vor einem etwa zehnjährigen Jungen zum Stehen, der ein Papierknäuel als Fußballersatz vor sich hertrieb und einfach auf die Straße gelaufen war. Sofort erhoben sich einige zeternde Stimmen. Er fuhr schnell weiter.
Er hatte, bevor er Deutschland verließ, auf dem Kästrich oberhalb der Altstadt gewohnt, wo er auch aufgewachsen war. Damals war Gonsenheim noch eigenständig. Erst 1938 wurde der Ort eingemeindet, da war er schon weg. Er kannte den Flecken von den sommerlichen Ausflügen in die Straußwirtschaften zu Wein und einfachen Speisen. Eine darüber hinausgehende Kenntnis der Straßen besaß er nicht, sodass er im Ort am Straßenrand anhalten musste, um einen Mann, dessen rechter Mantelärmel schlaff herunterhing, nach dem Weg zu fragen.
Beim Anfahren würgte er den Wagen wieder ab.
Als er Brunners Haus in der Jahnstraße erreicht hatte, schmerzte sein Kopf und er war trotz der Kälte durchgeschwitzt. Er blieb in dem Wagen sitzen und sah zu dem Haus herüber, das zur Straße hin durch ein Metallgitter abgeschirmt war. Da der Baum, der zwischen Zaun und Haus stand, keine Blätter trug, war der Blick frei. Hinter einer Gardine im Erdgeschoss stand eine Gestalt, die zu ihm herüberblickte. Aber das Fenster lag im Schatten, sodass sie mehr eine Ahnung blieb. Koch wartete, bis er sicher war, dass ihm die Aufregung der Autofahrt nicht mehr anzumerken war.
Langsam ging er auf das im Villenstil gebaute, zweistöckige Haus mit dem steilen Dach zu. Es machte einen wohlhabenden, aber nicht neureichen Eindruck, wie Koch feststellte. Rechts befand sich eine breite Einfahrt, die zu einer ebenso breiten Garage führte. Sie schien ihm das einzig Protzige an dem Bau zu sein.
Das Törchen in dem Metallzaun war nicht verschlossen. Koch zog es hinter sich zu und trat vor die graue Haustür, packte den schweren Türklopfer und stieß ihn zweimal gegen das Holz.
Trippelnde Schritte kündigten an, dass sich jemand näherte. Die Tür wurde geöffnet und Koch blickte in das Gesicht einer Frau von über sechzig Jahren, die eine Schürze umgebunden hatte. Unter
Weitere Kostenlose Bücher