Unter Trümmern
sich … mit einem Strick.“
„Aufgehängt?“
Wieder ein Nicken.
„Und wo ist er jetzt?“
Betreten sah Dorle auf die Decke.
„Hast du das nicht gemeldet?“
Erst nach einigen Sekunden antwortete Dorle mit einem Kopfschütteln. Sie kämpfte erneut mit den Tränen.
„Aber Rolf muss doch beerdigt werden.“
Nun konnte Dorle die Tränen nicht mehr zurückhalten. Heftiger noch als vorhin weinte sie.
Franzi wartete, bis sie sich ein wenig beruhigt hatte, dann ließ sie ihre Freundin alleine und verließ die Küche.
Fünf Minuten später kam sie wieder. Dorle hatte sich gefasst und blickte starr auf die Wand neben sich.
„Ich habe ihn gesehen“, sagte Franzi. Ihre Stimme war fest. „Er kann da nicht mehr lange bleiben. Bald wird es wärmer. Die Verwesung wird schnell voranschreiten. Wir müssen was tun.“ Sie klang sehr resolut. „Ich werde zum Pfarrer gehen, um ihn zu informieren. Und erzähle mir, was passiert ist. Hast du die Medikamente nicht bekommen? Wollte der Brunner deine Lewwerknepp nicht?“
Dorle atmete tief durch, bevor sie zu erzählen begann, was passiert war an dem Abend bei Brunner, der ihr die Medikamente gegeben hatte und wie sie freudig nach Hause gegangen war, wo sie Rolf im Keller vorgefunden hatte, an der Decke hängend.
„Und wo hast du die Leber und das Hack herbekommen?“, fiel ihr plötzlich ein. „Für die Lewwerknepp?“
Dorles Gesicht verdüsterte sich wieder.
„Die musst du doch …“
Dorle unterbrach sie mit einem heftigen Kopfschütteln.
„Willst du das nicht sagen?“
Sie erhielt keine Antwort.
Minutenlang saßen die beiden Frauen da und schwiegen.
„Du kannst nicht den ganzen Tag hier so rumliegen“, stellte Franzi energisch fest. „Wir müssen zum Pfarrer, um Rolfs Beerdigung zu organisieren. Und du musst richtig essen und trinken, damit du wieder zu Kräften kommst. Und du musst dich waschen. Schau dich mal an!“
Mit diesen Worten stand sie auf und ging nach draußen, von wo sie mit einem Kübel Wasser zurückkam, den sie neben das Bett stellte.
„Du wäschst dich, während ich dir noch was zum Essen besorge.“
Ohne eine Antwort abzuwarten, stand sie auf, nahm Dorles Schlüssel von der kleinen Anrichte neben der Tür und verließ das Haus.
Als sie zurückkam, lag Dorle wieder auf ihrem Sofa und starrte an die Decke.
Franzi bereitete einen Tee zu und füllte zwei Tassen. Mühevoll verließ Dorle das Sofa und setzte sich mit an den Tisch.
„Weißt du eigentlich, dass der Gerber Peter umgebracht worden ist?“, fragte Franzi so unvermittelt, dass Dorle fast die Tasse aus der Hand gefallen wäre.
„Erstochen“, führte Franzi weiter aus, „auf seinem eigenen Hof. Die Polizei hat den Täter noch nicht gefunden. Es heißt, dass es ein Einbrecher oder durchreisender Soldat war. Da können die lange suchen.“
„Und die Polizei? Glaubt die das auch?“, fragte Dorle.
Franzi sah überrascht auf. Sie war erstaunt über das plötzliche Interesse ihrer Freundin, die eben noch so lethargisch gewesen war.
Franzi zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Tot ist tot. Ist eine schreckliche Zeit. Aber da ist so ein Kommissar, der befragt die Leute. Ist bestimmt, weil der Gerber Einfluss hat. Bei unser einem wäre das doch egal. Da würde sich kein Schwein drum kümmern.“
Damit ließ sie es bewenden.
Auch die nächsten drei Tage war Franzi ständig bei Dorle. Sie kam am Morgen gegen neun Uhr und verließ das Häuschen am Ortsrand erst nach sechs Uhr am Abend. Sie organisierte Holz, damit Dorle trotz des langsam aufziehenden Frühlings heizen und sich warme Speisen auf ihrem Herd zubereiten konnte und sie besorgte ihr Brot und anderes mit ihrer Lebensmittelkarte. Franzi zwang ihre Freundin regelmäßig zu essen, damit sie wieder zu Kräften kam.
Vor allem aber drängte sie darauf, dass Dorle Rolfs Tod den Behörden meldete, damit der Junge ein richtiges Begräbnis bekommen konnte.
„Aber er liegt doch schon so lange da“, setzte diese dem matt und verzweifelt entgegen. „Jetzt ist es zu spät.“
„Er muss beerdigt werden, Dorle“, widersprach Franzi heftig. „Bald wird es warm …“
„Ich kann ihn im Hof beerdigen. Sie werden Fragen stellen, wissen wollen, warum ich so lange … das ist mir zu viel, Franzi, viel zu viel … ich weiß nicht …“
„Ist das denn so schlimm? Du sagst, wie es war. Dass es dir nicht gut ging. Dass du ein schlechtes Gewissen hattest. Dass du entkräftest warst. Es sind schlimme Zeiten,
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