Unter uns Pastorentoechtern
die Straßen. Sommer wie Winter, bei Regen und bei Sonnenschein blieb der Schirm zusammengeklappt. Es ging das Gerücht, daß es in Wirklichkeit nur ein Gehstock war, der zur Tarnung mit Stoff umwickelt war.
„Ich werde nicht tatenlos hier herumstehen. Ich mache mich auf den Weg zurück nach Pontywen.“ Wütend setzte ich mich entlang der Straße in Bewegung.
„Es müssen zehn Meilen sein bis dahin.“ Seine Stimme in meinem Rücken hatte nun den höchsten Sopran und eine beträchtliche Dezibelstärke erreicht. Ich ignorierte ihn.
Während ich marschierte, verfluchte ich den Mann, der den Verbrennungsmotor erfunden hatte. Diese Erfindung hatte mir in der vergangenen Woche mehr als genug Ärger gemacht. Der unaufhörliche Gesang der Lerchen, der mich vor einer halben Stunde noch bezaubert hatte, wurde nun zu einem lästigen Ärgernis.
„Seid still!“ schrie ich — aber die Vögel beachteten mich gar nicht.
Nachdem ich zwei Meilen weit in olympischem Tempo marschiert war, klebte ich vor Schweiß und rang keuchend nach Luft. Kein Haus, keine Menschenseele war zu sehen. In der Sahara mußte mehr Verkehr herrschen als auf dieser Straße. Ich schaute auf die Uhr. Es war halb sechs. In einer Stunde würde der Gottesdienst beginnen. Mir knickten schon die Beine ein.
Dann glaubte ich, in der Ferne irgendeine Art von Fahrzeug in meine Richtung kommen zu sehen. Ich war in einer solchen Geistesverfassung, daß ich schon glaubte, es sei ein Trugbild. Doch dann begann ich das Trugbild auch zu hören.
Es war ein Armeelastwagen. Ich stellte mich mit ausgestreckten Armen mitten auf die Straße und wartete, bis er mich erreicht hatte.
Ein etwas überraschter Unteroffizier sprang von seinem Sitz herab.
„Was ist los, Padre?“ fragte er mich besorgt.
„Es ist der Wagen meines Freundes. Er ist liegengeblieben, ein Stück die Straße hinauf. Ich muß zurück nach Pontywen zu einem Gottesdienst um halb sieben“, stieß ich keuchend hervor.
„Steigen Sie ein, Padre. Wir werden sehen, was wir tun können.“ Er klang wie ein Mann, der wissen würde, was in einer solchen Situation zu tun war.
Als wir den Wagen erreichten, befand sich Harry Tench im äußersten Stadium der Hysterie, und seine Stimme hatte eine stratosphärische Höhe erreicht.
„Ich habe versucht, etwas mit den Drähten und so anzufangen. Das Auto läuft immer noch nicht. Aber sieh dir meinen Anzug an!“ Sein teurer, hellgrauer Anzug war mit Ölflecken bedeckt.
„Beruhige dich, Harry. Unser Freund hier wird sehen, was er tun kann, um den Wagen wieder in Gang zu bringen. Vielleicht kann Mrs. Richards etwas für dein Jackett tun.“
„Schauen wir mal, was da nicht stimmt“, sagte der Unteroffizier.
Nachdem er die Anatomie der Maschine ein paar Sekunden lang untersucht hatte, diagnostizierte er eine lose Verbindung. Die Anwendung eines Schraubenschlüssels hatte eine sofortige Genesung zur Folge. Er trat mit dem Fuß aufs Gaspedal und genoß das Aufbrüllen des Motors.
„Herrliche Maschine“, meinte er.
„Ich weiß nur“, sagte ich, „daß es nach der Totenstille ein herrliches Geräusch ist.“
Inzwischen hatte Harry seine Fassung wiedergewonnen und dankte dem Unteroffizier mit einer Stimme, die vom Falsett wieder zum Bariton herabgesunken war.
Es war sechs Uhr, als wir vor der Mount Pleasant View Nummer dreizehn hielten.
„Komm mit herein, und laß Mrs. Richards sehen, was sie für dein Jackett tun kann“, schlug ich vor.
„Nein, danke, Fred“, erwiderte er. „Ich möchte vor meinem Vater zurück sein, wenn irgend möglich.“
Als ich die Sakristei erreichte, blieb mir noch eine Minute bis zum Gottesdienst. Der Pfarrer starrte mich finster an.
„Nennen Sie das etwa Pünktlichkeit?“ fuhr er mich an.
„Bitte entschuldigen Sie“, sagte ich, während ich hastig den Talar überwarf. „Ein Freund vom College ist heute nachmittag unerwartet zu Besuch gekommen.“
„Ein seltsamer Freund, daß er Sie am Sonntag stört“, bemerkte mein Vorgesetzter.
„Seltsam ist er, das stimmt“, bestätigte ich.
6
Es war ein scheußlicher Morgen. Es regnete unaufhörlich, mal Bindfäden, mal feines Geniesel. Man konnte keine zehn Meter weit sehen.
Als ich auf dem Weg zum Pfarrhaus war und der Regen vom Rand meines Schirms herabrieselte, kam Bertie Owen mir auf der anderen Straßenseite entgegen, den Regenmantel bis zum Kinn zugeknöpft und einen völlig durchnäßten Filzhut auf dem Kopf.
„Scheußliches Wetter!“ rief ich ihm
Weitere Kostenlose Bücher