Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter uns Pastorentoechtern

Unter uns Pastorentoechtern

Titel: Unter uns Pastorentoechtern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Secombe
Vom Netzwerk:
ein Bekannter vom College, der über eine nicht gerade brillante Intelligenz, dafür aber über einen reichen Arzt als Vater verfügte. Nur durch eine Kombination aus Einfluß und Nachsichtigkeit brachte er mühevoll in fünf Jahren das zustande, was gewöhnliche Sterbliche in drei bewältigten.
    Das letzte Mal hatte ich ihn vor einem Jahr während des Examens gesehen. Ich hatte ihn in seiner Bude über einem Lebensmittelgeschäft besucht. Er wollte sich ein Buch von mir ausleihen. Seine Zimmerwirtin führte mich zu ihm. Den Anblick werde ich nie vergessen. Er thronte auf seinem Sessel, ein nasses Handtuch um den Kopf gewickelt und die Füße in einer Schüssel mit Wasser, und starrte mit eulenhafter Verständnislosigkeit in seine Bücher.
    „Was in aller Welt machst du denn hier?“ fragte ich ihn.
    „Solltest du auch mal versuchen“, erwiderte er. „Es hält den Kopf kühl, und das kalte Wasser an den Füßen hält dich bis in die frühen Morgenstunden wach. Das funktioniert viel besser als schwarzer Kaffee.“
    „Ich bleibe lieber beim schwarzen Kaffee“, sagte ich.
    Dasselbe hätte er lieber auch tun sollen. Im weiteren Verlauf jener Woche zeigte das ständige Eintauchen seiner Füße in eine Schüssel Wasser allmählich Wirkung auf seine Blase. So kam es, daß Harry gegen zwei Uhr morgens einen überwältigenden Drang verspürte, die besagte Blase zu entleeren. Die Toilette befand sich im Erdgeschoß, was einen Abstieg vom Dachboden, auch als Obergeschoß bezeichnet, wo der Student sein Dasein fristete, erforderlich machte.
    Dieser Abstieg hätte mehrere Sekunden gedauert, die Harry nicht zur Verfügung hatte. Für einen Mann der Tat wie ihn war die Lösung einfach: Fenster auf, Blase entleeren. Ein schwerer Schauer ging aus dem Obergeschoß nieder. Was Harry vergessen hatte, war das Wellblechdach über dem Lagerraum unter ihm. Die Stille des frühen Junimorgens wurde von einem Lärm wie von schwerem Maschinengewehrfeuer zerrissen. Erschrockene Nachbarn, die das Schlimmste befürchteten, rissen ihre Fenster auf, während Mrs. Thomas, die Frau des Lebensmittelhändlers, das Fenster unmittelbar unter Harry öffnete und die letzten Tropfen von oben abbekam.
    Im Examen fiel er durch, und die Verwaltung des Colleges erteilte ihm eine Verwarnung wegen seines ungebührlichen Betragens. Und nun stand er hier in meiner Bude in Pontywen, offensichtlich voller Aufregung. Er quietschte immer, wenn er aufgeregt war.
    „Ich habe bestanden“, rief er im höchsten Sopran. „Und darum bringe ich dir jetzt das Buch zurück, das du mir geliehen hast.“
    „Wie hast du mich hier gefunden?“ fragte ich.
    „Das war einfach“, sagte er. „Jemand hat mir erzählt, daß du in Pontywen bist. Ich bin einfach ins Pfarrhaus gegangen und habe mir deine Adresse geben lassen.“
    „Aber dieses Auto — wem gehört das, und woher hast du die Benzinscheine?“
    „Der Wagen gehört meinem Vater, und er bekommt Scheine, weil er Arzt ist. Er ist mit einem Bekannten in den Golfclub gefahren, so daß ich es mir für ein paar Stunden unter den Nagel reißen konnte. Ich dachte mir, du hättest vielleicht Spaß an einer Spazierfahrt — mal raus aus diesem Loch.“
    „Das ist kein Loch, aber ich hätte nichts gegen eine Spazierfahrt. Ich muß nur um fünf wieder zurück sein. Ich predige heute abend in der Pfarrkirche.“
    „Ich muß sowieso spätestens um sechs wieder zu Hause sein, bevor mein alter Herr aus dem Golfclub zurückkommt.“
    Harry trat das Gaspedal ebenso weit durch, wie Mervyn es am Morgen getan hatte. Die überraschten Zuschauer in den Straßen von Pontywen müssen uns für die Spitzenreiter im ersten Autorennen von Pontywen gehalten haben.
    „Könntest du vielleicht ein wenig langsamer fahren? Ich muß zwar um fünf zurück sein, aber ich würde gern an einem Stück zurückkommen.“
    Meine Zurechtweisung erzielte die erwünschte Wirkung.
    „Tut mir leid, mein Alter“, sagte er und blinzelte mich durch seine Brille an. „Ich lasse mich immer von der schieren Kraft dieser Maschine davontragen.“
    „Wenn du nicht aufpaßt, wird dich bald ein Krankenwagen davontragen“, warnte ich ihn.
    Wir segelten sanft über die Straßen, hinauf in die Hügel. Es war ein herrlicher Nachmittag. Auf einer Hügelkuppe machten wir halt. Ringsum erstreckte sich meilenweit das Moorland. Keine Seele war zu sehen. Die einzigen Geräusche kamen von den hoch über uns schwebenden Lerchen — und von Harry, der in Studienerinnerungen

Weitere Kostenlose Bücher