Unter uns Pastorentoechtern
los. Raketen schossen waagerecht los anstatt in die Höhe. Überall in Pontywen schienen Explosionen stattzufinden. Alles fiel übereinander und warf sich zu Boden, um sich vor den Geschossen zu schützen. Elsie lag unter mir, und ihr Union Jack steckte hinten in meinem geistlichen Kragen. Percy war unter einem Haufen Menschen auf dem Bürgersteig begraben, während Idris sich schützend über Gwen geworfen hatte.
Ein mächtiges Krachen war zu hören, als ein Raketenkopf auf Protheroes Schaufensterglas aufprallte. Ein Kaleidoskop farbiger Rauchschwaden erfüllte den Platz, während in größer werdenden Abständen die letzten Explosionen losgingen. Dann trat eine unheimliche Stille ein, als alles auf den nächsten Knall wartete, der nie kam.
Einer nach dem anderen rappelte sich auf. Bald füllte sich die Luft mit den erleichterten Ausrufen derjenigen, die feststellten, daß sie unverletzt waren. Bertie Owen hatte etwas geschafft, das nicht einmal Hitler gelungen war. Er hatte der Bevölkerung von Pontywen, die während des gesamten Krieges nie eine Granate gehört oder eine Brandbombe zu Gesicht bekommen hatte, einen heiligen Schrecken eingejagt.
Die rußgeschwärzten Männer vom Ausschuß staubten ihre besten Anzüge ab, die Damen ihre Sommerkleider. Mrs. Sturzbachs gefärbtes Haar war völlig durcheinandergeraten. Ihr Gesichtsausdruck war mörderisch, wenn auch nicht ganz so mörderisch wie der ihres Mannes.
„Ich glaube, Sturzbach wird Bertie an der Standuhr aufhängen“, sagte Idris.
„Dabei wird er jede Menge Helfer haben“, sagte ich.
„Mein einziges Paar Nylonstrümpfe ist ruiniert, dank Bertie“, beklagte sich Gwen.
„Wann fängt das Feuerwerk an?“ fragte Elsie und wedelte ihren Union Jack, der nur noch einen halben Stiel hatte.
Der Stadtrat schritt auf den Lautsprecherwagen zu. Von Bertie war nichts zu sehen — er hatte wohl einen raschen Abgang gemacht, um der Lynchjustiz zu entgehen.
„Ich muß mich für den — äh — bedauerlichen Zwischenfall entschuldigen. Solche Dinge passieren eben manchmal. Trotzdem danke ich Ihnen allen, daß Sie gekommen sind.“
Das war die kürzeste und denkwürdigste Rede, die Sturzbach je in seinem Leben gehalten hatte.
Ein paar Wochen lang verhielt sich Bertie Owen sehr unauffällig — eine beachtliche Leistung für ihn. Doch am ersten Sonntag im September war er wieder ganz der alte. Ich bekam die üblichen Handzeichen von der letzten Kirchenbank, und die Kollektensammler waren wieder seinem militärischen Drill ausgesetzt.
Am folgenden Abend stand Bertie bei mir auf der Matte. Draußen parkte sein Wagen, dem das Glas an einem Scheinwerfer fehlte und dessen Kotflügel leicht verbeult war.
„Kann ich Sie mal dringend sprechen, Mr. Secombe?“ sagte er gehetzt. „Ich möchte den Pfarrer nicht belästigen, er ist zu alt für solche Sachen, aber Sie können mir sicher helfen. Sie können gut reden.“
Als er in meinem Sessel Platz nahm, fragte ich ihn: „Für welche Sachen ist der Pfarrer zu alt, und wie kann ich helfen?“
„Die Sache ist die“, fing er an. „Also, gestern vormittag nach dem Gottesdienst haben wir das Geld gezählt. Sehr gute Kollekte übrigens, zehn Pfund, drei Shillinge und siebeneinhalb Pence, zweiundsechzig Kommunikanten und eine ganze Menge Fremde. Die Zahlen steigen immer noch, seit Sie gekommen sind, Gott sei Dank.“
Er vergaß seine Sorgen für den Augenblick und strahlte mich an.
Dann umwölkte sich sein Blick.
„Also, wie ich schon sagte“, fuhr er fort. „Sie wissen ja, daß ich immer Mrs. Bradshaw nach Hause bringe, die Frau mit den schlimmen Beinen. Sie geht langsam wie ein Pinguin, Sie kennen Sie bestimmt.“ Er deutete ihre Art zu gehen mit den Händen an. „Also, ich habe sie mit einiger Mühe auf den Beifahrersitz bekommen. Sie muß ungefähr hundertzwanzig Kilo wiegen. Auf den Rücksitz kann sie nicht, weil sie nicht durch die Tür kommt. Also, ich habe sie hineinbekommen, und dann habe ich die Kollekte auf die Ablage neben dem Armaturenbrett gelegt, drüben vor ihren Sitz. Dann fuhren wir los in Richtung Melrose Avenue — da wohnt sie — und kamen zu dem Kreisverkehr beim Lamb and Flag.“ Er hielt inne, sei es, um Luft zu holen oder wegen der dramatischen Wirkung.
„Also, als wir durch den Kreisverkehr fuhren, fiel das Geld von der Ablage herunter. Ich fuhr mit der rechten Hand weiter und versuchte, mit der linken Hand das Geld von Mrs. Bradshaws Schoß aufzuheben. Bevor ich wußte, was los
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