Unter uns Pastorentoechtern
möchte sich ein paar Konfirmationsschleier für seine weiblichen Kandidatinnen ausleihen. Das wäre eine Gelegenheit für Sie, ihn kennenzulernen. Ich werde meiner Frau Bescheid sagen, daß sie die Schleier in eine Einkaufstüte packt, die Sie über die Lenkstange hängen können.“
Als wenige Minuten später Mrs. Llewellyn erschien, hatte sie eine lederne Einkaufstasche bei sich.
„Sagen Sie Mrs. Thomas, daß ich die Schleier gewaschen und gebügelt habe“, sagte sie in säuerlichem Ton. „Ich hoffe nur, daß Sie es schaffen, sie sicher dort abzuliefern — nach Ihren Erlebnissen mit dem Auto.“
Dieses Vertrauensvotum hallte in meinen Ohren nach, als ich das Pfarrhaus verließ, um in die freundlicheren Gefilde der Mount Pleasant View zurückzukehren.
„Ich muß heute nachmittag nach Pentwyn, Mrs. Richards, zum Dekan des Sprengels. Ich nehme das Fahrrad“, sagte ich, nicht ohne ein gewisses Maß an Aufgeblasenheit.
„Seien Sie vorsichtig, Mr. Secombe“, warnte sie mich. „Das ist eine gefährliche Straße, voller Kurven, sobald Sie von der Hauptstraße abbiegen müssen. Das Pfarrhaus ist am Fuß eines steilen Hanges. Ich hoffe nur, daß bei Bertie Owens Maschine die Bremsen funktionieren.“
Offenbar ließ sich der Reverend Daniel Thomas, Bacchalaureus Artium und Sprengeldekan, selten außerhalb seiner Gemeinde sehen. Seine untergebenen Geistlichen bekamen ihn nur bei den Sprengelsitzungen zu Gesicht, die während der Sommermonate nicht stattfanden. Sie sollten nächste Woche wieder aufgenommen werden.
Meine Radfahrt verlief auf der Hauptstraße ohne besondere Zwischenfälle. Es gab nur wenig Verkehr, und ich hielt mich so nah am Straßenrand, wie ich irgend konnte. Schließlich erreichte ich einen Wegweiser, der besagte, daß Pentwyn eine Meile entfernt abseits der Hauptstraße lag.
Mrs. Richards hatte recht gehabt. Die Straße war nicht nur sehr kurvenreich, sondern stieg auch äußerst steil an. Ich stieg ab und schob das Fahrrad den Hang hinauf. Als ich die Kuppe erreichte, sah ich den Turm der mittelalterlichen Kirche am Fuß des Hanges stehen.
Ich stieg wieder auf die Maschine und rollte bergab, mit aller Kraft bremsend. Als ich um die letzte Kurve kam, sah ich die Einfahrt zum Pfarrhaus etwa fünfzig Meter voraus. In meiner Erleichterung, mein Ziel so dicht vor Augen zu sehen, lockerte ich meinen eisernen Griff um den Bremshebel. Während das Fahrrad beschleunigte, erschien aus dem Nichts ein Hund, beseelt von dem dringenden Bedürfnis, mich anzugreifen.
Damit stand ich vor einer ebenso dringenden Entscheidung. Entweder hielt ich an und wurde angegriffen, oder ich raste in die Einfahrt des Pfarrhauses und entkam dem Hund. Ich entschied mich für das letztere.
Sekunden später lag ich in der Einfahrt und blickte in ein graues, faltiges Gesicht, dessen beherrschendes Merkmal eine große, unförmige Nase war.
„Mr. — äh — Seaton?“ erkundigte sich der Dekan. „Ihr Pfarrer sagte, daß Sie kommen würden.“
Offensichtlich war er daran gewöhnt, flach auf dem Boden liegende Radfahrer zu begrüßen. Beiläufig fügte er hinzu: „Sind Sie in Ordnung? Es ist dieser Stein gleich hinter der Einfahrt. Sie wären überrascht, wie oft ich einfach nicht daran denke und mit dem Wagen daran stoße.“
Als er mir auf die Beine half, wollte ich ihn schon fragen, warum er den Stein nicht fortgeschafft habe, verkniff mir die Frage aber aus Ehrfurcht vor seiner Position.
Berties Fahrrad schien unbeschädigt zu sein, aber die lederne Einkaufstasche hatte vom Kies der Einfahrt ein paar üble Kratzer abbekommen. Vor meinen Augen erstand wie ein grausiges Gespenst eine Vision von Mrs. Llewellyns Gesicht.
Es wurde vertrieben durch das Erscheinen einer rotwangigen, silberhaarigen und bequem gepolsterten Dame. „Das ist meine Frau“, sagte der Dekan. Sie schüttelte mir mit eisernem Griff die Hand.
„Willkommen in Pentwyn“, sagte sie herzlich. „Sie müssen hereinkommen und eine Tasse Tee trinken, um Ihre Nerven zu beruhigen. Danke, daß Sie die Schleier hergebracht haben.“
„Mrs. Llewellyn sagte, sie seien gewaschen und gebügelt“, sagte ich. „Ich glaube, sie sind in Ordnung, sie sind nicht aus der Tasche gefallen.“
„Machen Sie sich darum keine Gedanken, mein Lieber“, erwiderte sie. „Ich bin sicher, sie sind in perfektem Zustand, wenn Mrs. Llewellyn sie hergerichtet hat.“ Ein leichter sarkastischer Unterton lag in dieser Bemerkung.
Ich schob das Fahrrad die Einfahrt hinauf
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