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Unter Verdacht

Unter Verdacht

Titel: Unter Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Arden
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sein.« Versöhnlich erkundigte sie sich: »Und? Was gibt es bei dir Neues?«
    »Nur zu deiner Information: Auch ich hatte ein tolles Wochenende, angefangen bei der Party am Donnerstag Abend, über das Verwöhnprogramm meiner Mutter am Samstag und einen ruhigen Fernsehabend am Sonntag.«
    »Von einer Party hattest du mir gar nichts erzählt.« Annes Neugier war geweckt.
    »Das kam auch sehr kurzfristig.«
    »Mach’s nicht so spannend! Wie sieht er aus, wie alt ist er, habt ihr euch geküsst?«
    »Er ist eine Sie, sieht sehr gut aus, Anfang dreißig – und ich habe sie nicht geküsst«, erwiderte Sylvia nicht ohne Spott. »Trotzdem habe ich mich gut unterhalten.«
    »Eine Sie?!« Anne verstand nun gar nichts mehr.
    »Wir arbeiten zusammen am Kießling-Projekt. Sie ist die Architektin. Ihr Vater hat so eine anonyme Gesellschaft gegeben, und da hat sie mich eingeladen.«
    »Aber du hasst solche Gesellschaften. Man muss dich sonst zu so etwas förmlich hinprügeln.«
    Sylvia dachte kurz nach. »Stimmt«, sagte sie schnippisch.
    »Sylvia, was ist los mit dir?« Anne war das Ganze hörbar suspekt.
    »Nichts«, sagte Sylvia und wunderte sich selbst über ihre gute Laune.
    »Du lässt dich von einer dir völlig fremden Frau zu einem dir sonst völlig abgehenden Event einladen und willst mir einreden, das sei nichts?«
    »Ja.«
    »Ja sagt sie einfach, dabei ist ein kleines Wunder geschehen.« Anne war fassungslos. Sylvia glaubte, sogar eine Spur Eifersucht heraushören zu können.
    »Diese Frau erreicht bei dir in einer Woche, was ich in Jahren nicht vermochte. Du musst sie mir unbedingt mal vorstellen.«
    »Wenn es sich ergibt, warum nicht.«
    Sylvia ordnete ihr Manuskript für die Vorlesung und legte es auf dem Rednerpult zurecht. Ein allgemeines Raunen erfüllte den Hörsaal, Schreibpulte klapperten, einzelne Studenten drängelten sich zu den letzten freien Plätzen durch.
    Sylvia stellte sich hinter das Pult und gab somit zu verstehen, beginnen zu wollen. Sie wartete, bis die Aufmerksamkeit der Anwesenden sich ihr zuwandte. Dann begann sie mit ihren Ausführungen. Während sie sprach, glitten gewohnheitsmäßig ihre Blicke über die Zuhörer im Auditorium. Einige knabberten geistesabwesend an den Enden ihrer Kugelschreiber, andere schrieben eifrig Stichpunkte mit. Sylvia registrierte es wie jeden Tag.
    Plötzlich entdeckte sie in einer der mittleren Reihen Karen. Sie lauschte aufmerksam. Sylvia war es zwar gewohnt, vor einem Auditorium zu reden, aber vor einem fremden oder besser gesagt unpersönlichen. In dem Bewusstsein, dass Karen ihren Worten und Bewegungen aufmerksam folgte, schwand Sylvias Konzentration zunehmend. Sie war froh, als die Vorlesung endlich vorbei war. Die Studenten strömten wie die Ameisen zur Tür. Der Hörsaal lehrte sich. Karen saß immer noch auf ihrem Platz.
    »Ich dachte, ich sehe mir auch mal an, wo Sie arbeiten«, schallte ihre Stimme jetzt von oben herunter.
    »Sagen Sie bloß, Sie wissen nicht, wie ein Hörsaal von innen aussieht. Wo haben Sie denn studiert?« frotzelte Sylvia.
    »Ertappt.« Karen tat zerknirscht. Sie stand auf und kam zu Sylvia hinunter. »Es ging mir natürlich nicht um das Wo, sondern um das Wer.«
    »Und? Ist Ihre Neugier jetzt gestillt?«
    »Ja, ich denke doch«, erwiderte Karen fröhlich.
    »Ich zeige Ihnen auch gerne mein Büro. Allerdings ist es nicht so luxuriös wie Ihres. Wir leben hier in bescheidenen Verhältnissen.«
    »Die Wissenschaft muss darben. Das ist doch allgemein bekannt. Die meisten großen Geister der Menschheitsgeschichte lebten in Armut und starben verlacht und verstoßen von der Welt«, polemisierte Karen und setzte hinzu. »Vielleicht ist das meine Chance, Sie abzuwerben?«
    »Kein Interesse«, wehrte Sylvia ab.
    »Ganz sicher?«
    »Absolut.« Sylvia schmunzelte.
    »Ellen lässt Sie grüßen«, wechselte Karen das Thema.
    »Danke, grüßen Sie sie auch. Es war ein sehr schöner Abend.«
    »Und entschuldigen Sie bitte Leons Indiskretionen.«
    »Ach was. Das war halb so schlimm.«
    Sie verließen gemeinsam den Hörsaal.
    »Wie sehen Ihre Pläne für den heutigen Abend aus?« erkundigte sich Karen.
    »Dank meiner besten Freundin Anne habe ich ein Rendezvous mit einem mir völlig unbekannten Mann namens Torsten.«
    Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte Sylvia, in Karens Gesicht Enttäuschung zu erkennen. Aber wenn es so war, ließ Karen es sich nicht anmerken. Amüsiert sagte sie: »Oh. Ein Blind Date. Na, dann wünsche ich Ihnen viel

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