Unter Verdacht
übrig, du musst die Angaben machen. – Aber was schlägst du vor, was wir in der Sache unternehmen sollen? Wir können doch nicht einfach abwarten.«
»Reimann hat mir seinen Bericht schnellstmöglich versprochen. Ich will genau wissen, was los ist: Sind das hier alle Aufträge, die betroffen sind, oder gibt es weitere? Ist die Summe der Scheinaufwendungen vielleicht noch größer als die benannte eine Million Euro? Wer hat die Belege unterschrieben, die Rechnungen bezahlt? Die Ergebnisse übergebe ich einem privaten Ermittler, mit dem ich bereits in Verbindung stehe. Dann werde ich auch erfahren, wo das Geld hingeflossen und wer alles an dem Schwindel beteiligt ist. Oder hast du eine bessere Idee?«
Ralf überlegte kurz. »Nein, aber eine weitere. Ich rufe Marcus an.«
»Daran habe ich auch schon gedacht. Aber sieht das nicht nach Schuldbekenntnis aus, wenn wir einen Anwalt hinzuziehen?«
»Wann, wenn nicht jetzt, wollen wir uns mit ihm beraten?«
»Stimmt auch wieder«, gab Karen ihm Recht.
11.
S ylvia stieg aus ihrem Wagen. Es war früh am Vormittag, doch die Sonne schien heute noch viel vorzuhaben. Die Quecksilbersäule zeigte bereits dreiundzwanzig Grad. Es bewegte sich kaum ein Lüftchen.
Sylvia betrat das Gebäude und fuhr mit dem Fahrstuhl hinauf zu Karens Büro. Frau Stahmann begrüßte sie. »Guten Morgen, Frau Mehring. Frau Candela ist auf der Baustelle. Sie muss jeden Moment zurückkommen. Warten Sie doch im Büro.«
Den angebotenen Kaffee lehnte Sylvia freundlich ab. Ein Blick aus dem Fenster verriet Sylvia, dass Karens Wagen gerade angefahren kam.
»Da kommt sie ja schon«, sagte sie zu Frau Stahmann.
»Na, das nenne ich Timing«, erwiderte die, ohne jedoch von ihrer Arbeit aufzusehen.
Sylvia sah, wie Karen ausstieg und den Weg zum Gebäude von »Candela & Partner« nahm. Jetzt blieb sie stehen und drehte sich um. Eine Frau, groß, rothaarig, Amazonengesicht, mit einem teuren Kostüm bekleidet stürmte auf Karen zu und küsste sie auf die Wange. Die Amazone redete aufgeregt auf Karen ein, dann schloss sie sich ihr an.
Sylvia wandte sich irritiert vom Fenster ab und ging ins Büro, wo wenige Minuten später auch Karen und ihre Begleiterin eintrafen. Überrascht von der Anwesenheit einer dritten Person, unterbrachen die beiden ihre Diskussion, die sie führten.
Karen nickte Sylvia erfreut zu. »Guten Morgen, Sylvia.« Dann wandte sie sich, in der deutlichen Absicht, das Gespräch mit ihrer Begleiterin zu beenden, an diese und sagte. »Miriam, ich habe dir bereits mehrmals gesagt, Ralf ist der verantwortliche Architekt. Er hat alle Unterlagen. Wende dich bitte an ihn.«
»Ja, nur einige Sachen möchte ich lieber mit dir persönlich besprechen, sonst läuft es sicher schief.«
»Das ist völlig ausgeschlossen. Ralf ist ebenso verlässlich wie ich. Und du weißt das.«
Das Telefon klingelte. Karen nahm ab. »Muss das jetzt sein? . . . Also gut, ich komme kurz runter.« Entschuldigend sagte sie: »Eine dringende Sache. Es wird nicht lange dauern«, und ging.
Sylvia fühlte den abschätzenden Blick der Amazone namens Miriam auf sich ruhen.
»Sylvia Mehring, Dozentin Fachbereich Architektur und Beraterin der Mercura«, stellte Sylvia sich vor, um das drückende Schweigen zu durchbrechen.
Erneut ein eiskalter Blick. »Karen arbeitet mit einer Beraterin? Das kommt nicht alle Tage vor.« Die Frau schien es nicht für notwendig zu erachten, sich vorzustellen.
»Die Zusammenarbeit ist projektbezogen und zeitlich begrenzt«, erklärte Sylvia.
»Ach so.« Miriam fixierte Sylvia mit stechenden grünen Augen. »Alles andere hätte mich auch gewundert. Karen ist viel zu professionell, um sich in ihre Konzepte hineinreden zu lassen. Deshalb ist sie auch so gut in ihrem Job. Ich kann es verstehen, wenn Sie sie bewundern.«
Sylvia spürte, dass sie sich mit einer Bestätigung besser zurückhielt. Und sie überging auch Miriams frechen Ton. Statt dessen fragte sie freundlich: »Sie kennen Karen schon länger?«
»Allerdings. Und wir sind mehr als nur Freundinnen, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Ihre Stimme hatte einen kaum wahrnehmbaren drohenden Unterton.
Sylvia war für einen kurzen Moment irritiert. Plötzlich begriff sie. Miriam empfand sie offenbar als Nebenbuhlerin. Sylvia war völlig perplex. Sie hatte Karen bis jetzt nie so gesehen!
Miriam lächelte nun scheinbar ungezwungen. »Und das Schöne ist, dass Karen trotz ihrer Zähigkeit im Job eine so weibliche Frau ist. Dafür liebe
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