Unter Verdacht
ihr ansetzen könnt?«
»Ich hoffe, ich bekomme Montag einen kompletten Bericht über die Höhe der Verluste und den Transfer der Gelder aus der Firma. Ich habe einen Privatdetektiv an der Hand, den ich dann mit weiteren Ermittlungen beauftragen kann.«
»Na, das hört sich doch gut an«, meinte Ellen.
»Ja. Leider hat die Sache einen Haken. Die Steuerfahndung war vorgestern bei mir im Büro.«
»Davon hast du mir ja noch gar nichts erzählt.« Ellen sah ihre Schwester erschreckt an.
»Man ermittelt gegen mich«, berichtete Karen. »Es liegen Gutachten meiner Firma vor, die Objekte zu niedrig bewertet und damit überhöhte Kreditrahmen geschaffen haben. Man will gerne wissen, wo die überschüssigen Gelder hingeflossen sind. Die Beamten wollen die Bücher einsehen.«
»Sch. . .« Ellen sprach es nicht aus, aber Karen wusste auch so, was sie meinte.
»Du sagst es.«
»Und?« wollte Ellen wissen. »Was weiter?«
»Ich habe abgelehnt.«
»Und das haben die so einfach hingenommen?«
»Es blieb ihnen nichts anderes übrig.« Karens Gesicht verzog sich zu einem schiefen Lächeln, als sie jetzt Sylvias Worte wiedergab. »Da gerade erst das Finanzamt im Haus war, kann die Steuerfahndung nicht so ohne weiteres auf eine erneute Prüfung bestehen, sondern muss vorerst versuchen, ihre Vorwürfe zu untermauern. Die Gutachten sind nicht ausreichend für einen entsprechenden Antrag bei der Staatsanwaltschaft. Sonst wären sie ja gleich mit einem Durchsuchungsbefehl gekommen.«
»Woher wusstest du das denn?« fragte Ellen erstaunt.
»Ich wusste es nicht. Sylvia wusste es. Ihr Vater ist Rechtsanwalt.«
»Sie war bei dem Gespräch mit den Beamten dabei?« Ellens Verwunderung nahm zu.
»Ja. Sie weiß über die Sache Bescheid«, meinte Karen wie nebenbei.
Ellen holte tief Luft. »Karen, bist du verrückt? Ich meine, nichts gegen Sylvia, aber . . .«
»Nun reg dich ab«, unterbrach Karen ihre Schwester. »Sylvia kam Dienstag Abend völlig aufgelöst zu mir, weil zwei Beamte sie besucht und versucht hatten, sie über mich auszufragen. Was sollte ich tun? Ich habe ihr erzählt, in welcher Situation ich mich befinde.«
»Wie hat sie darauf reagiert?« Ellen sah Karen gespannt an.
»Erstaunlich. Natürlich war sie fassungslos. Aber nicht einen Augenblick habe ich bei ihr den Gedanken gespürt, ich könnte sie zu meinen Gunsten belügen.« Jetzt, wo Karen es aussprach, wurde ihr erst klar, wie ungewöhnlich das eigentlich war. Sylvia schien wirklich nicht die Spur eines Zweifels zu haben, dass sie, Karen, unschuldig war. Wie konnte das sein? »Sie bot mir sofort ihre Hilfe an«, erzählte Karen weiter. »Und wie sich herausstellte, waren das keine leeren Worte. Wer weiß, wie die Sache ausgegangen wäre, hätte sie mir nicht im richtigen Moment diesen Rat gegeben.«
»Da kannst du ja wirklich von Glück sagen«, meinte Ellen.
Karen nickte. »Ja. Aber das ist noch nicht alles. Sylvia riskiert ihren Job für mich. Wenn ihr Chef erfährt, dass sie darüber schweigt, dass ich im Moment ein untragbarer Geschäftspartner bin, dürfte sie ernste Probleme bekommen. Und das ist mir natürlich nicht sehr angenehm.«
Ellen füllte jetzt das Essen auf die Teller, und sie setzten sich. »Im Moment kannst du aber jede Hilfe brauchen, die sich dir bietet.«
»Das ist ja mein Dilemma«, gab Karen deprimiert zu.
»Schon seltsam«, sinnierte Ellen.
»Was?« wollte Karen wissen.
»Dass Sylvia das tut. Sie muss doch wissen, in welche kritische Lage sie sich damit bringt.« Ellen sah nachdenklich vor sich hin.
»Natürlich weiß sie das«, bestätigte Karen.
»Dann bedeutest du ihr wohl einiges.« Ellen lächelte verschmitzt.
»Sie schätzt meine Arbeitsweise und meine Fachkompetenz. Sie arbeitet gerne mit mir zusammen. Ein Wechsel des Architekturbüros liegt deshalb nicht in ihrem Interesse.«
Ellen lachte schallend los. »Sagt sie das?«
»So in etwa.«
»Ihr beide seid mir schon ein Pärchen.«
»Wir sind kein Pärchen«, brummte Karen. »Fang bitte nicht wieder damit an. Ich habe kein diesbezügliches Interesse an Sylvia.«
»Erzähl keine Märchen. Natürlich bist du interessiert. So begeistert wie du eben noch von ihr gesprochen hast. Außerdem habe ich dich auf Vaters Geburtstagsparty beobachtet, Karen. Statt wegen deiner misslichen Lage besorgt oder gar bedrückt zu sein, warst du aufgekratzt. Du bist Sylvia kaum von der Seite gewichen, hast dich um sie bemüht. Sie ist dein Typ! Sie ist ja auch eine Frau, die einen
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