Unter Verdacht
dann war der Moment vorbei. Und das war gut so! Denn, so schalt sie sich, es war ein völlig absurder Wunsch!
13.
K aren wartete darauf, in Holzners Büro gerufen zu werden. Während sie in dem langen kahlen Flur stand, dachte sie noch einmal an den gestrigen Nachmittag.
Sie hatten den Spaziergang auf Kosten des Kinobesuches ausgedehnt und fuhren erst am Abend in die Stadt zurück. Ellen erzählte von ihrer Galerie, den Repräsentationen, die sie durchführte, den verschiedenartigen Menschen, die ihr dabei begegneten. Sylvia hörte interessiert zu, und Karen, die ja Ellens Erzählungen schon kannte, konnte endlich abschalten.
Es war angenehm, einmal nicht von den Ereignissen der letzten Tage zu reden, sondern einfach nur zu entspannen. Sylvia schien es ähnlich zu ergehen. Sie lächelte Karen hin und wieder an. Manchmal errötete sie dabei, was Karen verwunderte. Sie hätte in diesen Momenten gerne gewusst, was Sylvia dachte.
Auf der Rückfahrt setzte Ellen zuerst Sylvia zu Hause ab. Dann brachte sie Karen heim.
»Willst du wissen, was ich denke?« fragte Ellen Karen beim Abschied.
»Du sagst es ja sowieso, also raus damit.«
»Du bist schön dumm, wenn du nicht um Sylvia kämpfst. Sie ist das Beste, was dir passieren kann.«
Vielleicht hatte Ellen ja recht? Vielleicht sollte sie wirklich einen Versuch wagen und Sylvia – hm, wie hieß es so schön – den Hof machen. Nur ein ganz klein wenig. Ohne sich zu sehr auf die Sache einzulassen. Wenn es nichts wurde, konnte sie sich ja einfach wieder zurückziehen . . .
Die Tür ging auf. »Kommen Sie herein, Frau Candela«, forderte Holzner sie auf.
Karen reichte ihm ohne viele Worte die Liste. Er las mit aufmerksamem Blick. Zwischendurch sah er Karen prüfend an. Sie konnte Holzners Gedanken von dessen Gesicht ablesen. »Netter Versuch, aber ein alter Hut.«
Karen biss sich auf die Unterlippe. Wer auch immer der Unbekannte im Hintergrund war, er war ein guter Psychologe. Er hatte einkalkuliert, dass sie, Karen, nur noch verdächtiger erschien, wenn sie eine Liste abgab, auf der ein Name dominierte. Die beiden Beamten glaubten jetzt selbstverständlich, sie wolle von sich ablenken. Da Holzner und Keller davon überzeugt waren, in ihr die Täterin bereits gefunden zu haben, entsprach diese Liste voll ihren Erwartungen.
»Tja, Frau Candela.« Holzner rieb sich das Kinn. »Das ist natürlich sehr interessant.«
»Sie glauben, die Liste ist ein Ablenkungsmanöver. Ein schlechtes dazu.« Karen hielt mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg.
»Wir lassen uns nicht vom Glauben leiten, Frau Candela. Wir halten uns an Fakten«, erwiderte Holzner gelassen. Er war solche Vorwürfe scheinbar gewohnt. »Sie brauchen sich nicht so erregen. Wir werden Ihre Angaben eingehend prüfen.«
Die stoische Ruhe Holzners brachte Karen auf die Palme. »Ich soll mich nicht erregen? Sie spaßen. Sie werfen mir die ungeheuerlichsten Vorwürfe an den Kopf, und ich soll dabei auch noch ruhigbleiben?«
Holzners Antwort unterschied sich nicht wesentlich von seinen bisherigen Kommentaren. »Ich verstehe Ihre Aufregung durchaus. Aber seien Sie sich sicher, wir tun alles, was erforderlich ist. Für uns ist das eine tausendfach erprobte Prozedur.«
Karen gab auf. Mit Holzner zu diskutieren, war ungefähr so sinnvoll, wie Feuer mit Benzin löschen zu wollen.
»Haben Sie noch weitere Fragen an mich? Ansonsten würde ich jetzt gern gehen.« Karen wandte sich zur Tür.
»Ja, ich habe noch eine Frage«, sagte Holzner hinter ihr.
Karen drehte sich um. Was kam jetzt noch?
»Haben Sie irgendwelche Feinde? Konkurrenten, Neider, die Ihnen schaden wollen?«
»Natürlich habe ich Konkurrenten. Schauen Sie ins Branchenbuch in die Rubrik ›Architekturbüro‹. Da finden Sie alle. Darunter ist sicher auch der ein oder andere neidische Berufskollege.«
Holzner verzog keine Miene bei dieser provokativ schnippischen Antwort. »Wie sieht es im privaten Bereich aus?« fragte er nur.
»Sicherlich habe ich nicht nur Freunde. Niemand kommt mit allen gleich gut aus. Aber Feinde? Nein. Nicht, dass ich mir dessen bewusst wäre«, erwiderte Karen nun ernster.
»Denken Sie genau nach. Es ist in Ihrem Interesse.«
Karen zuckte mit den Schultern. »Tut mir leid. Mit mehr kann ich nicht dienen.«
»Schade«, meinte Holzner.
»Noch eine Frage?« Karen stand abwartend da.
»Nein, das war’s.«
Karen verließ frustriert das Büro. Wenn das alles war, was die beiden Beamten aufzubieten hatten – Ignoranz
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