Unter Verdacht
Sylvia ein.
»Dann sagt sie eben, sie hat nicht gewusst, woher die Sachen sind.«
»Das wäre möglich.«
Karen griff nach ihrem Handy und gab Ellens Nummer ein. Sie ließ mehrmals läuten. »Scheint nicht zu Hause zu sein«, sagte sie schließlich.
»Tja, Schicksal«, kommentierte Sylvia.
»So, das hätten wir.« Sylvia schloss die Wohnungstür hinter sich. Karen legte den Laptop und die Disketten ab.
»Auf die Leistung haben wir uns einen Kognak verdient. Was meinen Sie?« Sylvia sah Karen fragend an.
»Ich nehme einen doppelten«, sagte die frustriert. Karen konnte die offensichtliche Zufriedenheit in Sylvias Stimme nicht nachvollziehen. »Gregor wird sein Laptop bald vermissen. Und er wird sich seinen Teil denken. Das ist Ihnen doch klar?«
Sylvia ging und kam mit zwei Gläsern wieder. Sie schenkte ein. »Bitte.«
Karen nahm das Glas. Sie trank einen kräftigen Schluck.
»Aber er kann nichts beweisen«, sagte Sylvia jetzt. Sie ging zum Fenster und sah hinaus. Sie trank einen Schluck aus ihrem Glas. Versonnen murmelte sie vor sich hin: »Ich hoffe nur, wir finden auf dem Laptop, was wir suchen. Irgend etwas.« Sie fühlte sich plötzlich abgespannt. Die Energie, die sie bis eben noch einen Einbruch hatte dirigieren lassen, war mit einem Mal verpufft. Jetzt, da es überstanden war und sie hier stand, fragte Sylvia sich: Wie konntest du das tun? Und als einzige logische Schlussfolgerung fiel ihr ein: Du musst verrückt sein!
Sylvia spürte Karen jetzt dicht hinter sich. »Sylvia, warum tun Sie das alles für mich?«
Sylvias Herz klopfte laut. So konnte man die Frage auch stellen! Sie drehte sich um – und sah sich Karen unmittelbar gegenüber. Verwirrt senkte Sylvia den Kopf.
»Wenn du nur genauso durchschaubar wie unvernünftig wärst«, sagte Karen kopfschüttelnd. In ihren Augen lag ein merkwürdiger Schimmer. Ihre Hand berührte zärtlich Sylvias Gesicht, hob sanft deren Kopf, so dass sie sich anschauten. Sylvias Blick war eine Mischung aus Ängstlichkeit und Wärme.
»Sylvia, ich werde aus dir einfach nicht schlau. Warum redest du nicht endlich mit mir?« Karens Stimme klang leise, aber eindringlich.
Sylvia seufzte tief. »Aber wie soll ich darüber reden, wenn ich nicht weiß, was ich empfinde.« Sie sah Karen hilflos an, suchte nach Worten. Wie konnte sie Karen am besten erklären, was in ihr vorging? Sie versuchte es. »Das Problem ist nicht, dass es zu dem einen und anderen Kuss gekommen ist, sondern dass ich nicht weiß, wie ich mich verhalten soll. Wenn ich entsetzt wäre über das, was geschehen ist, oder überglücklich, dann wäre es leicht. Aber meine Gefühle sind – chaotisch. In einem Moment möchte ich dich umarmen, und im nächsten schrecke ich davor zurück.«
»Das alles muss sehr verwirrend für dich sein.«
»Natürlich ist es das! Ich bin es nicht gewohnt, eine Frau zu begehren«, sagte Sylvia kläglich.
»Tust du das?«
»Ja«, gestand Sylvia, verwirrt über ihre eigenen Worte.
»Tja, auf dem Gebiet war ich wohl frühreif. Ich habe immer nur eine Frau gewollt«, meinte Karen ernst.
Sylvia zögerte. »Hast du . . . denkst du . . .« Sie brach ab.
»Ob ich schon daran gedacht habe, wie es wäre, mit dir zu schlafen? Oh ja, sehr oft.« Karens Stimme klang weich.
Sylvia errötete.
»Du brauchst nicht peinlich berührt zu sein. Du hast mich gefragt, und ich habe geantwortet. Hätte ich lügen sollen?«
»Vielleicht.« Sylvias Stimme war kaum zu vernehmen.
»Was denkst du jetzt?«
»Ich – ich weiß nicht. Ich bin sehr verwirrt – und geschmeichelt. Aber mehr verwirrt. Ich habe nicht gewusst, dass du so für mich empfindest.«
»Hast du nicht?« Karen sah Sylvia eindringlich an.
Sylvias Röte vertiefte sich um eine Nuance. Eingedenk der immer häufiger werdenden erotischen Spannungen zwischen ihnen konnte sie diese Behauptung nicht ernsthaft aufrechterhalten.
»Sylvia?«
Karens Umarmung war von jener behutsamen Zärtlichkeit, die Sylvia schon beim ersten Mal hatte regungslos verharren lassen. Falls sie einen Gedanken an Abwehr gehabt hatte, war er zunichte gemacht, ehe er ihr bewusst werden konnte. Ihr schwaches »Nein! Bitte nicht« kam ohne jede Überzeugung.
Karens Lippen berührten ihren Mund. Sie strichen sanft über Sylvias Wangen, liebkosten ihren Hals. Sylvia spürte überdeutlich Karens Verlangen. Und sie spürte, wie sie von diesem Verlangen mitgerissen wurde.
Karens Lippen fanden erneut Sylvias Mund. Mit fortwährendem vorsichtigen
Weitere Kostenlose Bücher