Unter Verdacht
Manieren und wissen, was man nicht hat, als gute Absichten, aber nicht wissen, was man will.«
Karen sah, wie Sylvias Augen von aufsteigenden Tränen schwammen, und schämte sich. Im Grunde genommen war es nicht Sylvia, sondern ihre eigene Enttäuschung, mit der sie kämpfte.
»Hast du Zeit? Dann steig ein«, brummte sie unwirsch.
Sie fuhren durch den dichten Nachmittagsverkehr.
»Wäre ja auch zu einfach gewesen«, nahm Karen das Gespräch nun doch wieder auf. »Gregor hält natürlich seine Wohnung sauber. Schließlich ist er nicht dumm.«
»Gregor hat doch auch einen PC in der Firma. Vielleicht sind dort die gesuchten Informationen gespeichert. Es wäre bestimmt nicht schwierig . . .« Weiter kam Sylvia nicht. Das plötzliche Bremsen des Wagens drückte sie in den Sitz. Karen hielt mitten auf der Straße. Hinter ihnen hupte es. Sylvia sah Karen entsetzt an.
»Sylvia! Hör, was ich sage! N-E-I-N. Das heißt nein .« Ein beschwörender Blick folgte. »Ich hoffe, du kannst mit einem einfachen Nein umgehen!« setzte sie bissig hinzu.
»Es ist beruhigend zu wissen, dass du deinen Biss nicht verloren hast, wenn du ihn auch an die falsche Person verschwendest«, erwiderte Sylvia ebenso scharf. Sie riss die Tür auf und wollte aussteigen. Karen griff nach ihrem Arm und zog sie zurück.
»Sylvia! Gerade du solltest wissen, dass das Ganze kein Spiel ist. Es geht hier um eine Menge Geld. Das bedeutet ein hohes Risiko. Ich möchte nicht, dass du noch irgend etwas in dieser Sache unternimmst. Es ist zu gefährlich. Denk an den LKW auf der Baustelle!«
Sylvia war dermaßen erschrocken über Karens Ausbruch, dass sie sich nicht rührte. Karen ließ jetzt Sylvias Arm wieder los und fuhr weiter. Den Rest der Fahrt schwiegen sie beide.
Die Zulieferfirma saß in einem kleinen Büro in der Holzhauser Straße. Karen ging allein hinein. Es dauerte etwa zwanzig Minuten, bis sie wiederkam.
Genauso wortlos wie die Hinfahrt geendet hatte, verlief die Rückfahrt. Karen lenkte den Wagen durch die Straßen, konzentrierte sich ausschließlich auf den Verkehr.
Sylvia betrachtete Karens Profil. Ihr Gesicht war angespannt, der Blick müde. Im Moment zeugte nichts von der lebendigen, lebensfrohen Karen, die sie vor ein paar Wochen kennengelernt hatte. Sylvia tat es weh, sie so zu sehen.
Als Karen den Wagen schließlich vor dem Gebäude von »Candela & Partner« stoppte, blieb Sylvia abwartend sitzen.
»Wir sind zurück«, sagte Karen.
»Ja.« Sylvia rührte sich nicht. Zögerlich begann sie: »Karen, ich . . .«
»Ja?« fragte Karen kühl.
Sylvia nahm allen Mut zusammen. »Du weichst mir in letzter Zeit aus.«
»Ha! Wundert dich das? Und überhaupt. Dann ist es jetzt eben mal umgedreht.«
»Ich habe dich verletzt, nicht wahr?«
»Das ist dir aufgefallen?« fragte Karen bitter. »Weißt du was, Sylvia? Du hast wirklich ein Problem. Du bist die typische Ich-weiß-nicht-was-ich-will-aber-das-mit-aller-Kraft -Frau.«
»Du bist wütend auf mich.«
»Allerdings.«
»Benehme ich mich denn so unmöglich? Kannst du dir nicht vorstellen, dass ich unsicher bin?«
»Oh doch, das kann ich. Und ich möchte nicht länger der Grund dafür sein. Ich habe wohl zuviel erhofft. Ich dachte, du wärst eine Frau, die ihre Gefühle akzeptieren kann, statt sie zu verdrängen. Ich habe lange gebraucht, meinen Irrtum zu erkennen. Aber nun sehe ich klar. Wie gesagt, werde ich dich in Zukunft mit meinen Gefühlen verschonen. Es haben noch andere Väter schöne Töchter.«
Sylvia sah Karen traurig an. »Wirst du dich mir gegenüber in Zukunft so fremd verhalten wie die letzten Tage?« In ihren Augen schwammen wieder Tränen.
»Ich denke, so ist es am besten – für uns beide«, erwiderte Karen. Es tat ihr selbst weh, das zu sagen, zumal sie Sylvia, die wie ein Häufchen Unglück neben ihr saß, lieber in den Arm genommen hätte. Aber die Situation musste geklärt werden.
»Das klingt endgültig«, flüsterte Sylvia.
»Das ist es«, sagte Karen.
»Sylvia!?«
Sylvia schreckte aus ihren Gedanken hoch und sah in Annes fragendes Gesicht.
»Wir sitzen jetzt seit einer guten Viertelstunde hier, und du hast kaum ein Wort gesagt. Du sitzt nur da, stocherst in deinem Kuchen herum und seufzt ab und zu vor dich hin.«
Sylvia blickte ihre Freundin schuldbewusst an und zuckte hilflos mit den Schultern.
»Was ist los mit dir?« forschte Anne.
»Wenn ich das wüsste.« Sylvia seufzte erneut.
Anne musterte Sylvia jetzt eindringlich. »Mein Gott! Du
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