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Untergrundkrieg

Titel: Untergrundkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Auswirkungen ein solches Erlebnis auf das weitere Leben und Bewusstsein der Betroffenen haben kann.
    Aus dem gleichen Grund wollte ich ursprünglich ganz auf eine Darstellung aus der Sicht von Aum Shinrikyo verzichten. Ich fürchtete, mein Buch könnte dadurch seinen Mittelpunkt verlieren. Darüber hinaus wollte ich unter allen Umständen vermeiden, in die Rolle eines »toleranten« Beobachters gedrängt zu werden, der großzügig für beide Seiten Verständnis aufbringt.
    So wurde der erste Teil 26 zwar von einigen als zu einseitig kritisiert, aber schließlich hatte ich meine Kamera ja mit Absicht an einer bestimmten Stelle postiert. Mein Ziel war ein Buch, das auf meine Gesprächspartner einging, statt ihren Standpunkt zu relativieren (was jedoch nicht heißt, dass ich immer auf ihrer Seite stehe). Es sollte ein lebendiges Zeugnis ihrer Gefühle und Gedanken werden und so zum Verständnis ihrer Lage beitragen. Das hieß jedoch keineswegs, dass ich die religiöse und gesellschaftliche Bedeutung von Aum Shinrikyo vollständig aus meinem Kopf verbannt hatte.
    Nachdem der erste Teil als Buch erschienen war und die Wogen sich etwas geglättet hatten, stieg in mir die Frage auf: »Was war eigentlich Aum Shinrikyo?« Der erste Teil war entstanden, um einer – nicht nur von mir – als unausgewogen empfundenen Berichterstattung die authentische Perspektive der Opfer entgegenzusetzen. Als diese Phase so weit abgeschlossen war, regten sich in mir Zweifel, ob die Berichte, die uns vorlagen, die Seite von Aum überhaupt ausreichend dokumentierten.
    Im ersten Teil bleibt Aum Shinrikyo als eine unvorhersehbare Bedrohung im Hintergrund, als ominöse, unheilvolle Black Box, aus der abrupt ein Angriff auf unser Alltagsleben erfolgte. Nun schien es mir an der Zeit, diese Black Box zu öffnen und einen Blick hineinzuwerfen. Durch den Vergleich und die Gegenüberstellung ihres Inhalts mit den Darstellungen der Opfer hoffte ich zu einem tieferen Verständnis des Gesamtzusammenhangs zu gelangen.
    Hinzu kam die beharrliche Befürchtung, dass wir uns mit den Problemen, die dem Anschlag zugrunde lagen, nicht nur ungenügend auseinander gesetzt hatten, sondern von ihrer Lösung noch weit entfernt waren. Für die Menschen, besonders die jungen, die sich außerhalb des Mainstream der japanischen Gesellschaft bewegen, existiert kein funktionierendes, stabiles Auffangsystem oder Sicherheitsnetz. Solange in unserer Gesellschaft eine derart entscheidende Lücke klafft, besteht immer wieder die Möglichkeit, dass Gruppen wie Aum Shinrikyo auftauchen und ähnliche Vorfälle inszenieren.
    Als ich mit der Arbeit zum zweiten Teil begann, war ich verunsichert, und jetzt, wo sie beendet ist, hat dieses Gefühl noch zugenommen. Wenn es schon nicht ganz einfach gewesen war, Opfer des Sarin-Anschlags ausfindig zu machen, die zu einem Interview bereit waren, erwies es sich erst recht als schwierig, Aum-Mitglieder oder ehemalige Mitglieder für dieses Projekt auszusuchen. Nach welchen Kriterien sollte man die Interviewpartner überhaupt auswählen? Daraus ergab sich sofort die Frage, wen man überhaupt als »Standard-Aum-Anhänger« bezeichnen konnte; wer sollte das entscheiden? Und was wäre, wenn wir diese Leute zwar ausfindig machen und ihnen zuhören würden, sie jedoch nur einen Haufen religiöser Propaganda von sich gäben? Würden wir nicht aneinander vorbeireden?
    Die Mitarbeiter der Zeitschrift Bungei shunju , in der die Interviews zuerst erschienen sind, übernahmen es, die Mitglieder und ehemaligen Mitglieder von Aum für mich ausfindig zu machen. Ich habe die Interviews in einem ähnlichen Stil und Umfang geführt wie diejenigen mit den Sarin-Opfern und mich bemüht, meinen Gesprächspartnern so viel Zeit wie möglich einzuräumen und sie ausführlich zu Wort kommen zu lassen. Jedes Interview nahm ungefähr drei bis vier Stunden in Anspruch. Anschließend wurden die Bänder transkribiert und die Interviewten gebeten, ihren Text noch einmal durchzuschauen. Dabei konnten sie die Teile streichen, die sie nach reiflicher Überlegung doch nicht veröffentlicht sehen wollten, oder etwas ergänzen, das sie während des Interviews vergessen hatten, aber für wichtig hielten. Erst nach ihrer endgültigen Billigung wurde das Interview veröffentlicht. Mir lag viel daran, die richtigen Namen meiner Gesprächspartner zu nennen, aber einige machten es zur Bedingung, ein Pseudonym zu verwenden, ohne dies besonders zu kennzeichnen.
    Im Allgemeinen haben wir

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