Untergrundkrieg
mitarbeiten?
Ursprünglich hatte ich vor, eine Reportage zu schreiben. Ich habe mir eingeredet, dadurch könnte ich meine Mitarbeit am Bau des Reaktors irgendwie wieder wettmachen. Ich hatte mir das so zurechtgelegt. Sie kennen doch den Film Die Brücke am Kwai ? Meine Idee war so ähnlich. Man baut etwas sorgfältig auf, um es am Ende selbst wieder zu zerstören. Natürlich hatte ich nicht vor, eine Bombe zu legen oder so was. Wie soll ich sagen … mein geliebtes Meer würde sowieso von irgendjemandem verseucht werden, warum sollte ich es also nicht gleich selber tun? Um drei Ecken gedacht und widersprüchlich, ich weiß.
Nach einem Jahr hörte ich auf und ging nach Okinawa. Von dem Geld, das ich auf der Baustelle verdient hatte, kaufte ich mir einen gebrauchten Wagen, fuhr mit der Fähre nach Okinawa und lebte dort eine Weile im Auto. Zwei Monate lang fuhr ich in aller Ruhe von einem Strand zum nächsten. Ich liebe die Landschaft und die Natur auf Okinawa. Jeder Fleck dort hat seinen eigenen Charakter. Am besten gefiel mir zwar die Natur, aber auch die Kultur und die Menschen von Okinawa sind mir sehr lieb geworden. Deshalb bricht bei mir auch jeden Sommer das Okinawa-Fieber aus. Ich kann einfach nicht mehr an einem Platz bleiben und muss unbedingt nach Okinawa. Deshalb habe ich auch Schwierigkeiten, eine Stelle zu behalten. Kaum wird es Sommer, lasse ich alles stehen und liegen und verschwinde einfach nach Okinawa.
Im Februar 1990 starb mein Vater, kurz vor meinem dreißigsten Geburtstag. Ich habe mich nie besonders gut mit ihm verstanden. Eigentlich mochte ihn keiner in der Familie. Außenstehende hielten ihn vielleicht für einen guten Kerl, aber zu Hause war er ein Tyrann. Wenn er Alkohol trank, wurde er gewalttätig. Als ich klein war, hat er mich geschlagen. Später war ich stärker als er und konnte zuerst zuschlagen. Jetzt schäme ich mich dafür. Ich hätte ihm mehr Respekt entgegenbringen sollen.
Mein Vater hatte eine leitende Funktion bei der örtlichen kommunistischen Partei. Fukui ist eine ziemlich konservative Gegend, und es war deshalb gar nicht so einfach für mich, eine Stelle zu finden. Ursprünglich wollte ich Lehrer werden, aber mit einem Kommunisten als Vater konnte ich das vergessen. Ich war schon immer ein Mensch mit starkem religösen Interesse, während mein Vater ein eingefleischter Materialist und Vernunftmensch war. Unsere Standpunkte waren völlig gegensätzlich. Wenn ich irgendetwas über Religion sagte, verspottete er mich. »Komm mir nicht mit diesem Götter-Quatsch«, schrie er dann und wurde ausfallend. Das machte mich ganz fertig, und ich fragte mich, warum er immer so schreckliche Sachen sagte und warum ich ihm nichts recht machen konnte.
Als der Zustand meines Vaters ernst wurde, war ich gerade auf Okinawa. Ich reiste sofort nach Fukui zurück, und kurze Zeit später starb er. Vom Alkohol hatte er Leberzirrhose – ein schrecklicher Tod. Zum Schluss konnte er gar nichts mehr essen, trank nur noch und schwand dahin. Er hat sich sozusagen selbst umgebracht. Vor seinem Tod hat er einmal zu mir gesagt: »Komm, wir wollen reden«, aber ich habe nur geantwortet: »Tu mir den Gefallen und stirb endlich!« Manchmal habe ich das Gefühl, ihn getötet zu haben.
Nach dem Begräbnis fuhr ich zurück nach Okinawa. Ich hatte dort Arbeit auf einer Baustelle. Aber meine Familie in Fukui fehlte mir schrecklich, und ich war sehr niedergeschlagen. Nach dem Tod meines Vaters war es mir zuerst gut gegangen. Die ganze Familie war zusammengekommen, und wir hatten eine prima Zeit. Aber als ich wieder auf Okinawa war, war es plötzlich aus. Ich hatte das Gefühl, lebendig in die Hölle gezerrt zu werden. Damals dachte ich, mein Ende sei gekommen. Ich würde in der Hölle braten und nicht mehr rauskommen. So fühlte ich mich. Ich verlor allen Appetit und fiel in eine tiefe Depression. Ich spürte, dass ich den Verstand verlor. An Regentagen, wenn wir nicht arbeiteten, lag ich die ganze Zeit zusammengerollt auf meinem Futon. Die anderen gingen in die Spielhalle, Pachinko spielen, aber ich blieb für mich. Meine Kollegen versuchten mich zu trösten und aufzumuntern, wofür ich ihnen auch sehr dankbar war, aber ich konnte mich einfach nicht aufraffen.
Eines Tages wachte ich um drei Uhr morgens auf und fühlte mich so elend, dass ich dachte, ich müsste sterben. Anscheinend wurde ich verrückt. Es fühlte sich an, als würde ich bewusstlos. Da rief ich meine Mutter an. »Komm sofort nach Hause«,
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