Untergrundkrieg
Shimbashi-Tunnel erreichte uns wie auf ein Stichwort der Anruf vom Sender, dass wir zur U-Bahn-Station Kasumigaseki fahren sollten, auf den Platz, wo die Ministerien sind: Außenministerium, Finanzministerium, Ministerium für Handel und Industrie, Ministerium für Fischerei und Ackerbau … Als wir dort ankamen, sahen wir, dass am U-Bahn-Ausgang vier oder fünf Bahnbedienstete in grünen Uniformen irgendwie verletzt waren. Zwei oder drei lagen ausgestreckt am Boden, und ein paar andere krümmten sich. Ein junger Stationsgehilfe schrie: »Schnell, rufen Sie einen Krankenwagen!«
Wir waren der erste Fernsehsender vor Ort. Es kam nur ein einziger Rettungswagen. Mehrere Leute wurden aus dem U-Bahnhof getragen. Daneben stand ein Polizist und bellte in sein Funkgerät: »Schnell, Krankenwagen hierher!« Aber weil inzwischen in Tsukiji und an verschiedenen anderen Orten Panik ausgebrochen war, schaffte es keine Ambulanz bis Kasumigaseki. Es wurden sogar normale Polizeiwagen eingesetzt, um die Opfer zu transportieren. Alle schrien durcheinander. Ikeda – so heißt der Kameramann – hat diese ganzen Szenen gedreht.
Da sprach uns jemand von den Verletzten an: »Wie wäre es, wenn Sie statt zu filmen jemanden ins Krankenhaus bringen würden?« Es klang vorwurfsvoll. Allerdings kamen ja auch keine Rettungswagen, und wir hatten den Bus, also sollten wir jemanden transportieren.
Wegen der Ausrüstung und anderer Erfordernisse geht das nicht so einfach, und wir drei mussten erst beratschlagen. Aber es wäre zu mies gewesen, die Verletzten einfach liegen zu lassen, und wir beschlossen, dass ich sie fahren sollte. Ich fragte den aufgeregten jungen Bahnbeamten, wohin wir sollten. »Ins Hibiya-Krankenhaus«, sagte er, was ich ein bisschen seltsam fand, denn das nähere wäre das Toranomon-Hospital gewesen. Später stellte sich dann heraus, dass das Hibiya irgendwie mit der U-Bahn-Gesellschaft verbunden ist.
Wir hatten natürlich kein Blaulicht, also setzte sich der junge Bahnbeamte auf den Beifahrersitz und hielt, während wir zum Hibiya-Krankenhaus fuhren, ein rotes Taschentuch aus dem Fenster. Das rote Taschentuch hatten wir von einer jungen Frau – vielleicht eine Krankenschwester – am Bahnhof geliehen. Sie sagte, wir sollten damit winken, damit man uns als Notfall erkennt. Im Wagen hatten wir den stellvertretenden Stationsvorsteher Herrn Takahashi, der dann gestorben ist, und noch einen Mann, dessen Namen ich nicht weiß. Auf jeden Fall auch ein U-Bahn-Beamter. Er war ungefähr dreißig und nicht so schwer verletzt wie Herr Takahashi. Immerhin konnte er selbständig in den Wagen steigen. Wir legten beide flach auf den Rücksitz.
Weil der junge Bahnbeamte ununterbrochen fragte: »Herr Takahashi, wie geht es Ihnen?« erfuhr ich den Namen des Mannes. Er war jedoch kaum bei Bewusstsein und konnte offenbar nicht sprechen, nur stöhnen. Unsere Ausrüstung hatten wir ausgeladen, für den Fall, dass sie gebraucht wurde.
Das Hibiya-Krankenhaus liegt in der Nähe vom Bahnhof Shimbashi, neben dem Hotel Daiichi. Es ist ein ziemlich großes Krankenhaus. Wir brauchten etwa drei Minuten, bis wir dort waren … Der junge Bahnbeamte hielt während der ganzen Fahrt das Taschentuch aus dem Fenster. Wir überfuhren sämtliche roten Ampeln und fuhren gegen die Fahrtrichtung durch Einbahnstraßen. Die Polizei hat uns gesehen, aber wir hatten freie Fahrt. Mir war bewusst, dass es um Leben und Tod ging.
Aber jetzt kommt’s. Stellen Sie sich vor: Das Krankenhaus ließ uns nicht rein. Eine Krankenschwester kam nach draußen. Obwohl wir ihr erklärten, dass die Verletzten im Bahnhof Kasumigaseki eine Gasvergiftung davongetragen hatten, sagte sie, es stünde kein Arzt zur Verfügung oder so etwas und ließ uns nicht vor. Ließ uns einfach auf der Straße stehen. Warum sie das getan hat, werde ich nie begreifen.
Der junge Bahnbeamte ging an die Aufnahme und flehte fast unter Tränen: »Bitte, er stirbt. Tun Sie doch etwas.« Ich war mit ihm drin. Da war Herr Takahashi noch am Leben. Seine Augenlider flatterten. Nachdem wir ihn aus dem Wagen gehoben hatten, legten wir ihn auf den Boden. Der andere Mann kauerte am Straßenrand. Uns war vor Wut das Blut in den Kopf gestiegen, aber wir warteten, ich weiß nicht mehr, wie lange, eine ganze Weile.
Endlich kam ein Arzt, und die beiden Verletzten wurden ins Gebäude gebracht. Um es kurz zu machen, sie hatten dort überhaupt keine Ahnung, was passiert war. Niemand hatte dem Krankenhaus mitgeteilt, dass
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